Gemeinderat zwischen Interessen eingeklemmt

  05.06.2024 Aus dem Gemeinderat

Wohnungen dringend gesucht. Diese drei Worte treffen auf jede Gemeinde im Kanton Zug zu. Wenn solche entstehen, müssen sich alle Beteiligten jedoch in Geduld üben und Projekte sachte vorantreiben.

MARCO MOROSOLI

Das Volk hat in der Schweiz immer recht. Dieser Ausdruck tönt bei jedem Gespräch gut. Er gilt jedoch nicht absolut. Das erlebt die Gemeinde Baar derzeit beim Projekt der Umgestaltung des Geländes rund um das historisch wertvolle Spinnerei-Langhaus an der Baarer Langgasse. Bei der Volksabstimmung am 26. November 2023 fiel bei einer Stimmbeteiligung von rund 43 Prozenten eine klare Entscheidung. Rund 4200 Personen, also zwei Drittel der Urnengänger, stimmten sowohl der Änderung des Zonenplans wie auch dem Bebauungsplans zu. Dennoch ist Euphorie selbst bei solch klaren Verhältnissen fehl am Platz.

Wie die Gemeinde Mitte Mai kommunizierte, verzögert eine Beschwerde nun den Baustart möglicherweise für mehrere Jahre. Interessant ist in dieser Hinsicht, dass der Baarer Gemeinderat den Weg nach vorne wählte, und in dieser Angelegenheit Stellung dazu nahm, wo es beim Projekt Spinnerei an der Lorze klemmt.

Der Baarer Bauvorstand Zari Dzaferi begründet dies mit einem Passus in der Baarer Gemeindeordnung, welcher den Gemeinderat dazu anhält, mit offenen Karten zu spielen: «Die Behörden informieren von sich aus oder auf Anfrage über ihre Tätigkeit, soweit keine öffentlichen oder schützenswerte private Interessen entgegenstehen. Sie informieren aktiv, verständlich und zeitgerecht.»

Weiter gibt die Gemeinde jedoch auf Nachfrage der «Baarer Zytig» keine Auskunft darüber, wer die Beschwerde eingereicht hat und was beanstandet wird. Bauvorstand Dzaferi verweist dabei auf das laufende Verfahren: «Es ist das gute Recht von Anwohnerinnen und Anwohnern, einen Entscheid auf seine Rechtskonformität hin überprüfen zu lassen.» Er verheimlicht aber deswegen nicht, dass er es «bedauert», dass die Umsetzung des Projekts blockiert wurde.

Auf dem Areal sind preisgünstige Wohnungen vorgesehen
Es gehe hier um die sorgfältige Entwicklung eines brachliegenden Areals und um sehr viel dringend benötigten (preisgünstigen) Wohnraum. Im Bebauungsplan sind 29’500 Quadratmeter für Wohnraum vorgesehen. Davon wurden 5’900 Quadratmeter für preisgünstigen Wohnraum und 6’500 Quadratmeter für Alterswohnungen festgeschrieben.

Das Bauvorhaben sei umfassend und mit Zustimmung der betroffenen Amtsstellen und Behörden entwickelt worden. Bauvorstand Dzaferi verweist auf die Abstimmungsunterlagen und ist überzeugt, dass die seit 2017 erarbeiteten, umfangreichen Planungsmittel den Beschwerden standhalten werden. Dies zeige sich auch im Umgang mit den Einwendungen im Rahmen der öffentlichen Auflage.

Da bei diesem Bauvorhaben eine Bauzone mit speziellen Vorschriften geschaffen wurde, konnte sich auch die Stimmbevölkerung einbringen und Vorschläge, Verbesserungen oder Beanstandungen gegen das Projekt melden. In der Abstimmungsvorlage der Gemeinde Baar vom 26. November 2023 sind sieben Einwendungen dokumentiert. Sie reichen von dem Antrag «bei Bewilligung des Bebauungsplanes die Bauherrschaft zu verpflichten, den Equipen Werkdienst Gemeinde und Korporation jährlich einen Znüni oder Zabig auszurichten» bis hin zu Beanstandungen bezüglich dem Umgang mit der Parkierung oder dem historischen Gebäude.

Der Gemeinderat beantwortete auf 15 Seiten 27 Anträge und verwies auf Berichte, Konzepte und Gutachten. Dieser Umgang mit Einwendungen ist Teil der Abstimmungsunterlagen. Stimmen die Stimmberechtigten in Kenntnis dieser Einwendungen und deren Beantwortung einem Bebauungsplan zu, kann das Projekt weiterverfolgt werden.

Bei einer Beschwerde liegen die Dinge hingegen anders: «Eine Beschwerde gegen einen Entscheid kann nur erheben, wer vom Entscheid direkt betroffen ist», erklärt Bauvorstand Dzaferi. Die Legitimation für eine Beschwerde hat derjenige, der von einer staatlichen Handlung «besonders berührt» sei. Die Rechtsprechung hierzu ist umfangreich. Immerhin ist der Instanzenzug in solchen Verfahren vom Gesetzgeber klar definiert. Erste Instanz ist der Zuger Regierungsrat. Dieser Entscheid kann an das Zuger Verwaltungsgericht als nächsthöhere Instanz weitergezogen werden. Gleich wie beim Bauprojekt Obermühle, das aktuell vor dem Bundesgericht hängig ist, kann auch die Entwicklung des Spinni-Areals bis ans Bundesgericht in Lausanne gezogen werden.

«Es ist das gute Recht von Anwohnerinnen und Anwohnern, sich auf juristischem Weg gegen Projekte zu wehren», betont Dzaferi. «Gleichzeitig bedauern wir, dass nun dringend benötigte Wohnungen – gerade auch im preisgünstigen Segment – verzögert werden.»


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