Baarer Trainer fährt an die Olympischen Spiele nach Paris

  03.07.2024 Vereine, Sport

Tobias Gross amtet seit fünf Jahren als Cheftrainer beim Schwimmverein Baar. Der ehemalige Schwimmer hat nun den Sprung geschafft und darf zum ersten Mal an den Olympischen Spielen im Stadion teilnehmen.

EDI WIDMER

Als Schwimmer und als Trainer hat es Tobias Gross nicht geschafft, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Umso grösser ist jetzt die Freude, dass es doch noch geklappt hat. Der Cheftrainer des Schwimmvereins Baar wird an den Olympischen Spielen in Paris vom 27. Juli bis am 4. August als Schwimm-Experte für das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) an den Start gehen.

Bereits bei den letzten Spielen in Tokio kommentierte der Baarer Schwimmtrainer für das SRF die Schwimmwettbewerbe. Damals noch an der Seite von Michèle Schönbächler. Sie war auf der Suche nach einem Schwimm-Experten, der sie als Co-Moderator unterstützt. Zu dieser Zeit war Lorenz Liechti, der heute ebenfalls beim SV Baar ist, für das SRF in der Sparte Schwimmen engagiert und sorgte im Hintergrund mit seinem Fachwissen dafür, dass der Schwimmsport im TV präsent war.

Als Liechti dem SRF telefonisch mitteilte, dass er diese Aufgabe nicht mehr ausüben könne, stand Gross neben ihm und hörte seinen langjährigen Schwimmkollegen folgende Worte sagen: «Ich kann es nicht mehr machen, weil ich zum Skiverband wechsle. Aber ich habe schon einen Nachfolger» und übergab sein Telefon an Gross. So kam er etwas überraschend zu diesem Engagement.

Live aus der Défense Arena
Vor drei Jahren war der 44-Jährige noch nicht vor Ort an den Olympischen Spielen. Kommentiert wurde aus dem TV-Studio in Zürich-Oerlikon. «Wir waren in einem Hotel in der Nähe untergebracht und lebten dort nach der japanischen Zeit», erzählt er. Der Tag wurde zur Nacht und die Nacht zum Tag. Deshalb kam es nach zehn Tagen gleichwohl zu einem Jetlag. «Aufgrund dessen, dass wir auf dem Monitor das gleiche sahen wie die Zuschauer zuhause, konnten wir oft nicht ganz ins Detail gehen», sagt er.

Das wird sich in Paris ändern. Wegen der kurzen Anreise darf Gross vor Ort im Stadion sein. Mit dem TGV reist er am Mittwoch, dem 24. Juli in die französische Hauptstadt, und nach einer Akklimationszeit von ein paar Tagen geht es bei den Schwimmwettkämpfen vom 27. Juli bis 4. August in der Défense Arena zur Sache. «Das wird mega cool», freut sich Gross, «früher träumte ich als Schwimmer von einer Teilnahme, dann hoffte ich, als Trainer gehen zu können, und jetzt bin ich fürs Fernsehen dabei.» An seiner Seite wird der Kommentator Jeroen Heijers am Mikrofon sein. Mit ihm versteht er sich sehr gut und manchmal wird auch ein bisschen «gestichelt» gegen den Kollegen.

Gross als Trainer beim SV Baar
Bis es jedoch so weit ist, amtet er noch als Schwimmtrainer beim SV Baar im Lättich. Dort ist er ein umsichtiger Trainer und setzt bei seinen Schützlingen vor allem auf Eigenverantwortung. Seine Schwimmer sollen selbstgesteuert ihre eigenen Ziele verfolgen, und er unterstützt sie dabei. «Sie mögen eine gute Zeit haben, gerne ins Training kommen und glücklich wieder nach Hause gehen», sagt der Coach, «wenn es keinen Spass macht, sollten sie etwas anderes machen.»

Abgesehen vom Spassfaktor braucht es im Schwimmen natürlich schon ein gewisses Minimum an Trainingsfleiss. Sonst hat man bei den Wettkämpfen auch keine Freude, wenn alle anderen davonschwimmen. Für Gross ist es ebenso wichtig, die mentale Belastung aus dem Alltag beim Training einzubeziehen. Deshalb soll die Zeit im Wasser nicht auch noch Stress verursachen.

Der SV Baar bietet ein sehr umfangreiches Angebot an möglichen Schwimmzeiten, die man selbständig auswählen kann. Von Montag bis Freitag findet ein Training am Morgen und am Abend statt. Dazu kommt der Samstagmorgen. Von diesen elf Möglichkeiten profitiert vor allem die Perfor- mance-Gruppe, die sieben bis neunmal pro Woche im Wasser trainiert. Dazu kommen zwei bis drei Krafttrainings an Land. In diesem Team sind zurzeit sechs Schwimmerinnen und Schwimmer, die professionell oder semiprofessionell ihren Sport ausüben.

Etwas gemütlicher nimmt es die Wettkampfgruppe mit fünf bis sieben Trainings. Ihr Ziel sind die nationalen Wettkämpfe. Acht bis zwölf Schwimmer sind dort involviert. Wer nur an regionalen Veranstaltungen teilnehmen möchte, kann dies in der Fitnessgruppe tun. Diese Wahl haben sechs bis acht Vereinsmitglieder getroffen. Zusammen bilden diese drei Teams die Elite des SV Baar. Sie trainieren alle gemeinsam, einfach unterschiedlich häufig. Alters- mässig geht es ab 16 Jahren los. Die Jüngeren werden eingeteilt in Kids und Futura und die älteren Semester finden bei den Masters Unterschlupf. So gibt es für alle ein passendes Angebot im SV Baar.

Vielseitiger und erfolgreicher Schwimmer
Die meisten Trainings leitet der Cheftrainer. Dass Gross seine Schwimmer so gut versteht und weiss, was sie brauchen, um erfolgreich zu sein, liegt wohl daran, dass er auch auf eine lange und erfolgreiche Karriere als Aktiver zurückblicken kann. Er begann relativ spät mit dem Wettkampfschwimmen, weshalb er sich oft fragte, was er machen muss, um den grossen Trainingsrückstand gegenüber den anderen einigermassen auszugleichen. Bereits da war er gezwungen, wie ein Trainer zu denken. Dadurch konnte er sich stetig steigern und war in fast allen Schwimmstilen auf nationaler Ebene konkurrenzfähig. Seine Vielseitigkeit war damals für seine Trainer ein Segen. Bei Vereinsmeisterschaften und in allen Staffeln war er polyvalent einsetzbar. In diesen Konstellationen holte er mit dem Schwimmclub Uster insgesamt neun Schweizer-Meister-Titel.

Doch das sind Erinnerungen aus einer längst vergangenen Zeit. Und auch seine Zeit als Trainer beim SV Baar neigt sich nach fünf Jahren dem Ende zu. Da er wieder mehr Zeit mit seiner Frau und seinen zwei Jungs verbringen möchte, hat sich Gross schweren Herzens dazu entschieden, sein Traineramt in Baar niederzulegen und nach den Sommerferien einen Job als Sportlehrer an der Kantonsschule Wiedikon in der Stadt Zürich zu beginnen.

Die Arbeit in Baar hat viel Substanz gekostet. «Ich hätte dieses Tempo nicht mehr lange halten können», ist Gross überzeugt. Dem Schwimmsport bleibt er dennoch ein wenig erhalten. Einerseits als Trainervertreter beim Schweizerischen Schwimmverband und eben als Schwimm-Experte beim SRF. Zum Abschied in Baar haben seine Schwimmer eine Überraschungsparty im Vereinshaus im Lättich organisiert. Gross weiss nicht, was ihn dort erwartet, nur wann er dort sein muss: «Ich weiss nicht, was sie geplant haben. Ich lasse mich überraschen.»


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