Vom Wohntraum zum preisgünstigen Wohnraum
04.06.2025 GesellschaftWie im gesamten Kanton Zug fehlen auch in Baar bezahlbare Wohnungen, insbesondere für junge Familien und Senioren. In einer Motion fordert die SP, dass der Gemeinderat seinen Bekenntnissen endlich Taten folgen lässt.
INGRID HIERONYMI
An der Gemeindeversammlung vom 11. Juni wird ein Thema behandelt, das kaum jemanden kaltlässt – der Mangel an erschwinglichem Wohnraum. Seit Jahren setzt sich die SP Baar für die Schaffung preisgünstiger und altersgerechter Wohnungen auf dem Grundstück GS Nr. 1520 an der Neugasse 45 ein. Trotz Absicht der Gemeinde, das Areal entsprechend zu nutzen, ist die Realisierung bisher ausgeblieben. Mit einer im Oktober 2024 eingereichten Motion drängt die Partei nun erneut auf die Umsetzung: «Wir wollen, dass die Menschen, die hier aufgewachsen sind und hier arbeiten, auch hier wohnen bleiben können», bringt Gaby Billing, Präsidentin der SP Baar, das Anliegen auf den Punkt. In den letzten 15 Jahren hat die SP mehrere politische Vorstösse zur Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für preiswerten Wohnraum eingereicht. Billing betont: «Die SP Baar setzt sich seit Langem dafür ein, dass auch Normalverdienende im Kanton Zug wohnen können. Zudem kämpfen wir gegen Spekulation mit Wohnraum.»
Gemeinderat hat ein offenes Ohr
«Die Förderung des preisgünstigen Wohnungsbaus ist dem Gemeinderat ein grosses Anliegen», sagt Sonja Zeberg, Vorsteherin für Liegenschaften und Sport im Gemeinderat. Bereits 2011 stimmte die Gemeindeversammlung dem Kauf des Grundstücks GS Nr. 1520 an der Ecke Neugasse/Sonnackerstrasse zu, mit dem Ziel, erschwingliche Wohnungen zu realisieren. Der Gemeinderat unterstützt das Anliegen der SP Baar und empfiehlt den Stimmberechtigten, die Motion als erheblich zu erklären, wie aus der Broschüre zur Gemeindeversammlung hervorgeht. Die SP ist erfreut, zumal sie aufgrund früherer Bekenntnisse des Gemeinderates damit gerechnet hat: «Der Gemeinderat hat der Bevölkerung an der Gemeindeversammlung im März 2024 versprochen, sich für günstigen Wohnraum einzusetzen», erinnert sich Billing.
Umzonung ins Auge gefasst
In seiner Antwort auf die Motion bestätigt der Gemeinderat die Dringlichkeit des Themas und unterstreicht die strategische Bedeutung des Grundstücks. Doch die Gemeinde verfolgt eine breitere Perspektive: Neben dem Grundstück GS Nr. 1520 sollen die angrenzenden Grundstücke GS Nrn. 1951, 1952 und 1953 in die Planung einbezogen werden. Auf diesen Parzellen befinden sich Parkplätze und provisorische Schulbauten, die nach der Eröffnung der neuen Schule Wiesental im Schuljahr 2027/28 nicht mehr benötigt werden. Da sich diese Grundstücke derzeit in einer Zone für öffentliche Bauten befinden, wäre eine Umzonung erforderlich. Die laufende Ortsplanungsrevision bietet die Gelegenheit, die Flächen in die Wohnzone W3 zu überführen. Die kantonale Baudirektion hat eine Zustimmung zur Umzonung in Aussicht gestellt. Der Gemeinderat plant, diese Grundstücke über Baurechtsverträge für sozialen und preisgünstigen Wohnbau bereitzustellen. Zeberg erläutert: «Die Gemeinde hält an der bereits gelebten und bewährten Strategie fest, nicht selbst als Bauherrin aufzutreten, sondern das Grundstück im Baurecht an Wohnbaugenossenschaften zu vergeben.» Damit die Wohnungen langfristig erschwinglich bleiben, werden die Genossenschaften vertraglich verpflichtet, die Wohnungen gemäss den Vorgaben des Wohnraumförderungsgesetzes (WFG) zu erstellen. «Zudem werden Bestimmungen bezüglich der Vermietung vereinbart, damit hauptsächlich Personen die Wohnungen beziehen, die gemäss WFG auch einen Anspruch haben», fügt Zeberg an. Auch in anderen Gebieten wie Bahnmatt, Unterfeld Süd und Spinnerei an der Lorze gebe es Bestrebungen, preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Die Zeichen stehen also nicht schlecht, aber es wird darauf ankommen, die Entwicklung zügig und entschlossen voranzutreiben. Sonst könnten wieder Jahre ins Land gehen. Dann müssten viele Baarerinnen und Baarer noch lange auf die Realisierung ihres Wohntraums warten.
Braucht Baar ein Parlament?
Neben der Wohnraumfrage wird an der Gemeindeversammlung ein weiterer politischer Vorstoss behandelt.
Die GLP Baar fordert mit einer Motion die Einführung eines Gemeindeparlaments, um die politischen Entscheidungswege effizienter zu gestalten. Die Partei argumentiert, dass die zunehmende Komplexität politischer Themen eine Struktur erfordert, die vertiefte Diskussionen und schnellere Entscheidungen ermöglicht. Der Gemeinderat hingegen sieht die Vorteile des bestehenden Systems in der direkten Bürgerbeteiligung der Gemeindeversammlung. Er verweist auf die Tatsache, dass frühere politische Vorstösse zur Einführung eines Parlaments bereits mehrmals abgelehnt wurden. Die Kommissionsarbeit, die etwa 200 Mitglieder umfasst, sei ein bewährtes «Baarer Modell», das verschiedene gesellschaftliche Gruppen einbindet. Zudem warnt der Gemeinderat vor steigendem Verwaltungsaufwand und höheren Kosten durch die Einrichtung eines Parlaments. Die Baarer Stimmberechtigten stehen damit vor einer richtungsweisenden Entscheidung: Soll die Gemeindeversammlung weiterhin das zentrale Organ der politischen Willensbildung bleiben, oder ist die Einführung eines Parlaments der nächste Schritt in der demokratischen Entwicklung?