Baar spricht – der Landammann hört zu
05.11.2025 GesellschaftDie Sprechstunde von Regierungsrat Andreas Hostettler liefert Hinweise, wo die Menschen im Kanton der Schuh drückt. Grund genug, sich beim Landammann über das aktuelle Sorgenbarometer zu erkundigen.
INGRID HIERONYMI
Seit einem halben Jahr bietet Regierungsrat Andreas Hostettler eine offene Sprechstunde an – ein niederschwelliges Format, das überraschend viel über Sorgen und Wünsche der Menschen im Kanton Zug im Allgemeinen und der Gemeinde Baar im Speziellen offenbart. Die Gespräche mit den Baarerinnen und Baarern zeigen: Die Gemeinde steht an einem Wendepunkt zwischen dörflichem Charme und urbaner Verdichtung, zwischen Verkehrsknotenpunkt und sozialer Durchmischung.
Zuhören als Teil des Regierungsauftrags
Von rund 20 Gesprächen, die der Landammann bisher geführt hat, fand ein Viertel mit Personen aus Baar statt. Dabei hat sich herausgestellt, dass folgende Themen in der Gemeinde Baar derzeit die Gemüter bewegen: bezahlbarer Wohnraum, Lärm durch Autoposer, Ortsplanungsrevision, Kinderbetreuung und die langfristige Pflege älterer Menschen.
«Meine Aufgabe ist es, zuzuhören und die Menschen ernst zu nehmen», sagt Hostettler. Doch das Zuhören bleibt nicht ohne Folgen. Wo möglich, gibt er Rückmeldungen, leitet Anfragen weiter oder vermittelt die Bürger an die zuständigen Ämter. Jede Person, die eine Frage hat, bekommt beim Landammann eine Antwort. «Manchmal jedoch nicht jene, die sich die Leute wünschen», räumt er ein. «Als Regierungsrat kann ich keine Dachfenster genehmigen, nur weil jemand unzufrieden ist», so Hostettler. Doch erklären, vermitteln und einordnen kann er allemal. «Gewisse Sachen kann man abklären, gewisse hört man sich einfach an», sagt der Landammann. Für manche ist es eine «Kropfleerete» – das Gefühl, dass die Regierung «wenigstens einmal zuhört».
Wenn Denkmalpflege zur Geduldsprobe wird
Ein wiederkehrendes Thema, das von einem Baarer angesprochen wurde, ist auch die Denkmalpflege. Nicht etwa als abstrakte Kulturaufgabe, sondern als ganz konkrete Herausforderung für Privatpersonen im Baubewilligungsverfahren. «Es geht zu lange, es ist zu kompliziert», sind Klagen, die man immer wieder hört. Einsprachen von Nachbarn, langsame Verfahren, fehlende Transparenz machen den Bauwilligen zu schaffen. Hostettler geht bei Fragen, die seine Direktion betreffen, direkt auf die Amtsleiter zu. «Ich kann den Leuten Rückmeldungen geben, aber ich kann kein Amt übersteuern», verdeutlicht er die Grenzen seiner Einflussmöglichkeiten.
Wohnraum: bezahlbar, barrierefrei, begehrt
Wohnraum bleibt der Dauerbrenner Nummer eins, nicht nur für junge Familien, sondern auch für ältere Menschen. Die Preise, die Verfügbarkeit, die baulichen Standards – all das bewegt die Menschen, im ganzen Kanton und ganz besonders in Baar.
Auch die Qualität der Kitas beschäftigt die Bevölkerung. Wie lässt sich diese sicherstellen? Was bedeutet das neue Kinderbetreuungsgesetz? Und wie können die Kosten gesenkt werden? Diese und weitere Fragen wurden von besorgten Eltern an den Landammann herangetragen.
Einige Anliegen sind überraschend spezifisch. Eine Baarerin wollte ihre Familiengeschichte aufarbeiten und fragte nach Zugang zum Staatsarchiv. Hostettler leitete die Anfrage direkt weiter und konnte dank einer Antwort des Staatsarchivars konkrete Informationen liefern. So erhielt die Frau wertvolle Hinweise zur Verfügbarkeit von gewissen Daten, was ihre Recherche erheblich vereinfachte.
Baar im Wandel der Zeit
Nach der Perspektive für die Entwicklung der Gemeinde gefragt, sagt Hostettler, dass Baar vor grossen infrastrukturellen Veränderungen stehe. Der Zimmerberg-Basistunnel 2 und das zusätzliche Bahngleis machen die Gemeinde zum Verkehrsknotenpunkt. «Ich denke, es ist eine Riesenchance für Baar, aber auch eine Herausforderung», sagt Hostettler. Zentral sei die Frage: Wie bleibt die Gemeinschaft erhalten, wenn die Gemeinde wächst und sich verändert? Denn Baar ist beides: Dorf und Stadt. «In Baar kann man in mancher Hinsicht lernen, wie eine Stadt zu denken. Aber den Charme und den Zusammenhalt eines Dorfes zu bewahren, finde ich eine grosse Herausforderung.»
Integration statt Abschottung
Hostettler, der seit 1993 in Baar wohnt und das Bürgerrecht der Gemeinde hat, spricht auch über soziale Durchmischung. Als ehemaliger Zuzüger kennt er die Perspektive von Neuankömmlingen gut. Obwohl die Baarer Festkultur das Wir-Gefühl stärkt, beobachtet er auch Tendenzen zur Abschottung. Es bestehe die Gefahr, dass sich ethnische, sprachliche oder strukturelle Blasen bilden, in die sich die Menschen zurückziehen. Die Herausforderung sei, eine Gemeinschaft zu fördern, in der sich alle einbringen, unabhängig von Herkunft, Sprache oder Status.
Zum Schluss bedankt sich Hostettler bei den vielen Baarer Einwohnenden, die an der kantonalen Bevölkerungsbefragung «Zug 55 Plus» teilgenommen haben: «Das hat uns wichtige Daten geliefert, um die kantonale Altersstrategie entwickeln zu können.» Ein Zeichen dafür, dass Beteiligung wirkt und dass Zuhören mehr bedeutet als ein freundliches Ritual.
Sprechstunde des Landammanns
Immer am dritten Mittwoch im Monat können Einwohnende des Kantons Zug einen persönlichen Termin mit dem Landammann vereinbaren. Die halbstündigen Sprechstunden finden wahlweise vor Ort bei der Direktion des Innern an der Neugasse 2 in Zug, telefonisch oder per Videokonferenz statt. In diesem Jahr findet noch am 19. November und 17. Dezember eine Sprechstunde statt.


