Die unterhaltsamen Eigenheiten des Schweizerdeutschen
23.10.2024 NaturSprachwissenschaftlerin Gabriela Bart referierte humorvoll über ihre Arbeit. Dabei wurde es schnell idiotisch. Betont wurde der stete Wandel der Sprache.
LUKAS SCHÄRER
Selten kamen so viele Interessierte zum Donschtig-Träff in der Rathus-Schüür wie vorletzten Donnerstag. Noch um den geplanten Beginn um 9 Uhr standen viele meist rüstige Rentner vor dem Eingang und warteten auf Eintritt, Kafi und Gipfeli, sodass der Beginn sogar nach hinten verschoben werden musste. Dann ging es jedoch los, und die Baarer Sprachwissenschaftlerin Dr. Gabriela Bart begann mit ihrem mit humorvollen Anekdoten gespickten Vortrag über die Eigenheiten der vielen Schweizer Mundarten. Dabei erzählte Bart auch von ihrer Mitarbeit am finalen letzten Band des Schweizerischen Idiotikons. Dies ist eine umfassende Sammlung Schweizer Dialektwörter. Der erste Band wurde 1881 publiziert. «Idiotikon» ist von dem griechischen «idios» abgeleitet und bezeichnet ein Wörterbuch, das den für eine bestimmte Gegend eigentümlichen Wortschatz verzeichnet.
Das Walliserdeutsche ist fast eine andere Sprache
Bart, die auch Kriminalistik studierte, kam per Zufall zur Forschung über das Schweizerdeutsche. «Ich bin in Baar geboren und aufgewachsen und wohne nun seit 45 Jahren hier. Meine Mutter ist jedoch aus dem Lötschental und ich kann auch so sprechen. Per Zufall kam ich an der Universität in ein Projekt, wo man Personen gesucht hat, die Walliserdeutsch können, um Fragebögen zu übersetzen. Es hat mich dann sofort gepackt.» Für Bart sind das Walliser- und das Baarerdeutsche zwei komplett unterschiedliche Sprachen. «Dies, weil es auch Wörter hat, die man sonst nirgends hat. Ich habe meine Doktorarbeit über diesen Dialekt geschrieben. Er ist beinahe ein ‹Singsang›.» Und wie etwa das Sächsische in Deutschland findet man in der Deutschschweiz das Walliserdeutsche skurril: «Es gibt sehr viele altertümliche Elemente. Zum Beispiel bei den grammatikalischen Endungen. Oder man sagt statt ‹Haus› etwa ‹Huis›. Das Walliserdeutsche ist so anders. Aufgrund der geographischen Umstände ist dieser Dialekt lange sehr stabil geblieben. Dies im Gegensatz zum Norden, wo der Einfluss aus Deutschland viel stärker war.»
Es ist selbstverständlich, dass man «compüterled»
Das Schweizerdeutsche ist eine Sammelbezeichnung für die in der deutschsprachigen Schweiz gesprochenen Dialekte. Es hat noch viele altertümliche Elemente wie fehlende niederhochdeutsche Dipthongierung und Monophtongierung. Demgegenüber gibt es Neuerungen wie die Reduktion der grammatikalischen Zeiten und den Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ sowie Eigenheiten bei der Wortbildung. Man denke an das allgegenwärtige «li». Mitten durch den Kanton Zug verlaufen mehrere Sprachgrenzen. Die Baarer Mundart ist unauffällig. Dennoch sagte Bart, die laut eigener Aussage reines Baarerdeutsch spricht: «Wenn ich in Zürich bin, verorten sie mich schon in der Innerschweiz. Andererseits sagt man uns Baarern nach, wir hätten auch Elemente vom Zürcher Dialekt dabei.»
Die Klagen über den Zerfall der Sprache sind wohl so alt wie Sprache selbst. Fest steht, dass Sprache dynamisch ist. Die grösste Änderung gibt es beim Wortschatz, so Bart: «Wenn man mobiler ist, wird das Verstehen immer wichtiger. Dann gibt man Wörter, die das Gegenüber nicht versteht, auf. Dabei ist die Aussprache wie bei «Haar» oder «Hoor» weniger entscheidend. Man muss Änderungen aber auf jeder Sprachebene betrachten. Mit dem Aufkommen von Technik brauchte man gewisse landwirtschaftliche Wörter gar nicht mehr.» Demgegenüber ist Grammatik stabiler.
Es kommen aber auch neue Wörter hinzu, die wir grammatikalisch anpassen. So ist es eine Selbstverständlichkeit, dass man «compüterlet» oder «sms-let». Bart betonte: «Man wird auch noch in 50 Jahren hören, ob jemand aus Zürich, Bern oder dem Wallis stammt. Die Räume werden einfach grösser sein als früher.»
Barts Vortrag stiess auf grosse Resonanz und wurde mit tosendem Applaus abgeschlossen.
Weitere Informationen
Mehr zum Idiotikon und ein Online-Wörterbuch finden Sie auf idiotikon.ch. Das Portal der schweiz. Ortsnamenforschung erreichen Sie unter ortsnamen.ch. Infos zu die Familiennamen gibt es auf familiennamen.ch.