Herstellung von Baby-Lagerschalen

  25.09.2024 Agenda Gesundheit & Pflege, Gesellschaft

Gesundheit Der Baarer Kinderarzt Dr. Raoul Schmid, Gründer des humanitären Hilfswerks «Swiss International Pediatric Projekt» (SIPP), und beteiligte Industriepartner konnten zusehen, wie die Baby-Lagerschalen für die Mongolei entstehen.

IRIS CAGLIONI

Der engagierte Baarer Arzt kämpft mit seinem Projekt gegen die entwicklungsbedingte Hüftdysplasie bei Neugeborenen. Dafür werden Hilfsmittel benötigt, wie zum Beispiel Lagerschalen für Ultraschalluntersuchungen. Bei der Führung durch den Betrieb der Plastika Balumag AG in Hochdorf konnten die beteiligten Industriepartner miterleben, wie diese Lagerschalen thermogeformt werden. Weiter konnten sie sich bei Schmid über den aktuellen Stand des Projekts informieren.

Darum geht es
In der Mongolei ist die entwicklungsbedingte Dysplasie bei Neugeborenen mit 1,2 Prozent deutlich weiter verbreitet als zum Beispiel in der Schweiz mit 0,5 Prozent. «Warum das so ist, wird umfassend diskutiert. Man geht davon aus, dass ein Zusammenhang besteht mit dem Platz, den ein Kind im Mutterleib hat», so Schmid. Er erklärt, dass die Problematik in einer Verzögerung des Reifungsprozesses der Hüftgelenkpfanne liegt. Dieser Reifungsprozess sei mit der Geburt eines Kindes nicht abgeschlossen und nach der Geburt, in den ersten paar Lebensmonaten, passiere ganz viel. «Im günstigsten Fall reift alles so aus wie es soll. Wenn nicht, kann in den ersten Lebensmonaten am einfachsten geholfen werden.» Die effizienteste Erkennungsmethode ist eine diagnostische Ultraschalluntersuchung.

Auftrag durch die mongolische Regierung
Basierend auf den überzeugenden Resultaten hat das mongolische Gesundheitsministerium ein landesweites Programm zur Früherkennung und -behandlung der Hüftdysplasie beschlossen und den Auftrag zur Umsetzung und Finanzierung dem internationalen Hilfsprojekt SIPP übertragen. In diesem unterstützt ein Kernteam von Kinderärzten aus der Schweiz die lokalen Ärztinnen und Ärzte. Das Projekt läuft mittlerweile seit 15 Jahren, und es wurde viel erreicht.

Einfache, zweckmässige Kunststoffschale
Ultraschalluntersuchungen an zappelnden Babys sind eine Herausforderung. Die Lösung war, eine leichte, transportable und kostengünstige Baby-Lagerschale zu entwickeln, in der das Kind ruhig liegen kann, mal auf der linken, mal auf der rechten Seite. Die gut vernetzte Projektgruppe konnte hier einen Auftrag an die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) erteilen. Im Zuge einer Studentenarbeit unter der Leitung von Professor Dr. Christian Rytka konnte diese Baby-Lagerschale aus stabilem Kunststoff entwickelt und am KATZ Kunststoff Ausbildungs- und Technologie-Zentrum in Aarau gefertigt werden. Da die ersten Lagerschalen nun einige Jahre im Einsatz sind, sollen weitere 100 Baby-Lagerschalen produziert werden.

Kostenlose Produktion
Die Herstellung der Baby-Lagerschale wurde durch die Firma Plastika Balumag AG aus Hochdorf mittels Thermoformen kostenfrei durchgeführt. Dies bedeutet, dass eine Kunststoffplatte bis zur thermoplastischen Verformbarkeit erwärmt wird, um dann mittels Vakuum auf ein Thermoformwerkzeug gezogen zu werden. Die Kunststoffplatten aus PETG wurden hierfür von der FHNW beigestellt. Das Thermoformwerkzeug wiederum wurde von der Firma Paul Lüthi AG Schweiz aus Gontenschwil kostenlos überarbeitet und auf die entsprechende Maschine der Plastika Balumag AG angepasst. Vonseiten der Firma Sekisui Alveo AG aus Adlingenswil wurde die Schaumstoffpolsterung zur Baby-Lagerschale kostenfrei geliefert. Die Nacharbeit sowie Montagearbeiten zur Fertigstellung der Lagerschale führt die Stiftung zuwebe aus Baar durch.

Erfreuliche Erfolge
«Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bei allen Neugeborenen die Hüften mittels Ultraschall zu untersuchen. Je früher, desto besser, am besten bevor Mutter und Kind nach der Geburt das Spital wieder verlassen. Heute können wir stolz mitteilen, dass wir bisher über eine halbe Million Kinder untersuchen durften. So konnten wir rund 6’000 Babys heilen.»

Es fliesst kein Geld, nur Wissen und Waren
Schmid betonte, dass nie Bargeld in die Mongolei gesendet wird. Die benötigten Waren wie diese Schalen für die Untersuchung werden in der Schweiz besorgt. Er bedankt sich bei den Produktionsfirmen für deren Grosszügigkeit. «Ohne Spenden von Privaten und Firmen könnten wir nicht so effektiv sein.» Dank der guten Zusammenarbeit mit der mongolischen Regierung konnte der engagierte Kinderarzt vor Ort Ärzte ausbilden. Die Untersuchungsergebnisse werden dank der modernen Technik des Internets in der Schweiz überwacht. «Wir reisen trotzdem im Durchschnitt einmal im Jahr in die Mongolei. Nicht nur um Schulungen durchzuführen, heute sind es mehrheitlich politischen Gepflogenheiten, die einzuhalten sind», informierte Schmid.


Mögliche Behandlung

Bei einer positiven Diagnose wird empfohlen, die Babys mit einer Tübinger Hüftbeugeschiene über die Zeitdauer von durchschnittlich sechs bis acht Wochen zu behandeln. Diese Schiene bringt das Baby in eine Art Sitzposition, ähnlich der Stellung im Mutterleib. Dabei sind die Hüften in einem Winkel von über 90 Grad gebeugt und leicht gespreizt.

Mittels Ultraschalluntersuchungen während der Behandlungszeit wird der Nachreifungsprozess beobachtet.


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