Junge Raubvögel werden scharf beobachtet und beringt

  14.08.2024 Natur/Umwelt

Natur Falken, Milane, Eulen, Käuze, Mäusebussarde oder Sperber – in Baar leben verschiedenste Raubvögel in Scheunen oder im Wald. Zwei ehemalige Gemeindeangestellte werfen ein besonderes Auge auf diese Tiere.

FRANZ LUSTENBERGER

Ortstermin an einem Nachmittag im Unterochsenhof an der Stadtgrenze zu Zug. Leo Truttmann, früher Weibel der Gemeinde, und Edi Zumbach, langjähriger Chef des Werkhofs, sind schon etwas angespannt. Sie warten auf die Beringer von Birdlife Zug, dem Zuger Vogelschutz. Seit einigen Wochen wissen Truttmann und Zumbach um die Brut von Turmfalken hoch oben im Kasten der alten Scheune. Sie haben nämlich eine spezielle Brutkasten-Kamera installiert: Diese liefert tagsüber Farbbilder und nachts Infrarotbilder per Kabel auf einen kleinen Bildschirm. Truttmann: «Es ist immer wieder faszinierend, die Brut und die Entwicklung der Jungvögel zu beobachten.» Zumbach: «Mit der Kamera können wir das, ohne die Vögel in dieser heiklen Phase der Aufzucht zu stören.»

Behende steigt Zumbach die Leiter im Innern der Scheune zum Brutkasten hinauf und holt die fünf Jungvögel in einem Kübel herunter. Unten warten schon Beringerin Sonja Weber und ihr Helfer Andreas Müller von Birdlife Zug. Truttmann dazu: «Unsere Vögel sind Wildtiere.» Sie dürfen nur mit Bewilligung vom Bundesamt für Umwelt im Auftrag der Vogelwarte Sempach gefangen und von ausgebildeten Fachleuten beringt werden.

Rund 200 Gramm leicht
Truttmann nimmt die kleinen Jungvögel aus dem Kübel und hält sie während des Beringens in der Hand, geschützt mit speziellen Handschuhen. Die kleinen Turmfalken sind 14 bis 18 Tage alt. Ihre Flügellänge beträgt rund zehn Zentimeter, und sie wiegen gut 200 Gramm. Weber macht auch gleich einen kleinen Check: «Die Jungvögel sind gesund, sie weisen keine Parasiten auf.» Alle diese Daten werden fein säuberlich protokolliert und auf einer Datenbank der Vogelwarte gespeichert. Übrigens – der Aluring ist mit Buchstaben und Zahlen versehen. Die Beine der Vögel würden nicht mehr dicker, sodass der Ring die Vögel keineswegs behindert.

Die beiden Baarer «Vogelfreunde» Truttmann und Zumbach wenden sehr viel Zeit für ihre Tätigkeit auf, bei Truttmann sind es gegen 150 Stunden im Jahr, also fast vier Arbeitswochen im Jahr. Bei Zumbach, neu dabei, ist es etwa die Hälfte. Ihr Einsatz für die einheimischen Raubvögel ist aber mehr als Hobby. Beide sagen übereinstimmend: «Dieses Engagement für die Natur macht uns auch zufrieden, weil wir den Sinn dahinter sehen.»

Reinigung und Vorbereitung der Kästen
Im Kanton Zug werden die Höhlenbrüter Waldkäuze, Schleiereulen und Turmfalken betreut. Zur Vorbereitung der späteren Brut werden die Kästen gereinigt und instandgehalten. Waldkäuze brüten in alten Spechthöhlen oder in geschlossenen Holzkästen, Schleiereulen ausschliesslich in grossen Holzkästen im Innern von Ställen, Turmfalken gewöhnlich in Mauernischen oder in offenen Kästen aussen am Gebäude. Turmfalken übernehmen
aber immer häufiger auch Schleiereulen-Kästen, wie im Unterochsenhof. Das bestätigt auch Landwirt Fritz Schnarwiler; zu Beginn seien es Schleiereulen gewesen, seit 2018 seien es Falken. Der Kanton Zug ist in drei Kontrollreviere eingeteilt: Ennetsee, Zug-Mitte und Berg. Truttmann und Zumbach gehören zum Revier Zug-Mitte, welches die Gemeinden Baar, Zug, Neuheim und Teile von Steinhausen betreut.

Grosse Unterschiede beim Bruterfolg
Die grosse Arbeit der Vogelschützer garantiert noch lange keinen Bruterfolg, dieser hängt von sehr vielen weiteren Faktoren ab. Zu nennen sind etwa das Wetter und ganz besonders das Vorhandensein des notwendigen Futters, also von Mäusen. Truttmann rechnet schnell vor: Das Turmfalken-Paar im Unterochsenhof mit fünf Jungtieren braucht während der Aufzucht pro Tag rund 20 Mäuse. Bevor die Eltern ein Nest beziehen, werde vorher das Gelände beobachtet und die spätere Futterbasis gecheckt, weiss Beringerin Weber.

Die aktuelle Statistik des Zuger Vogelschutzes weist folgende Zahlen auf: Beringt wurden per Mitte Juli 32 junge Waldkäuze und drei Altvögel, 56 junge Schleiereulen und 62 junge Turmfalken. Bis Ende Sommer dürften noch einige dazukommen. Aber es werden immer wieder auch nicht ausgebrütete Eier festgestellt. Truttmann ist zufrieden: «Unsere Arbeit bringt Erfolge.» Turmfalken nisten häufig, meis- tens mit einem guten Bruterfolg. Bei den Schleiereulen ist die Schwankungsbreite am grössten, vor allem wetterbedingt: Bei langen, kalten Tagen mit geschlossener Schneedecke verhungern viele Altvögel, da sie kaum Fettreserven bilden können, sondern täglich Mäuse fangen müssen. Auch die Sterblichkeit unter allen jungen einheimischen Raubvögeln sei gross.

Nach rund einer Stunde ist die Beringungsaktion im Unterochsenhof beendet: Zumbach bringt die beringten fünf Jungvögel zurück in ihren Kasten. Man sitzt zusammen, trinkt ein Bier oder ein Most. Truttmann und Zumbach blicken immer wieder in den Himmel der Umgebung: «Schaut, jetzt kommen die
Eltern zurück.» Sie fliegen ins Nest und bald wieder hinaus übers Feld. Denn der Hunger der Jungvögel ist gross. Bald müssen sie selbständig sein und ein eigenes, neues Revier suchen. Der Zuger Vogelschutz mit den Brutkästen unterstützt sie dabei.


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