Kommen Luchs und Wolf nun auch nach Baar?

  08.10.2025 Region, Natur/Umwelt

Ende September sorgte die Aufnahme eines Landwirtes im Ägerital für Aufsehen: Ein junger Luchs streifte aussen entlang des Zaunes einer Schafweide in Unterägeri. Kaum eine Woche später wurde beim Schützenhaus Hausen am Albis eine Wolfssichtung gemeldet. Zwei Begegnungen mit Grossraubtieren in so kurzer Zeit sind für die eher ungewöhnlich.

JILL EBERHARD

Aus Sicht der Natur handelt es sich um erfreuliche Zeichen einer Rückkehr verschwundener Tiere. Für die Schafhirte bedeutet dies jedoch vor allem eines: zusätzliche Sorgen.

Während Wölfe und Luchse in der Schweiz streng geschützt sind, stellen sie Tierhalter vor konkrete Herausforderungen. Zwar sind Wolfsrudel im Kanton Zug bislang nicht bekannt, wie das Zuger Amt für Wald und Wild (AFW) kommuniziert, dennoch durchziehen immer wieder einzelne Tiere die Region. Dabei handelt es sich meist um junge Wölfe, die ein eigenes Revier suchen. Luchse gelten als weniger problematisch für die Landwirtschaft, da sie sich vorwiegend von Wildtieren wie Rehen, Hasen oder Kleinsäugern ernähren. Und doch lässt die Sichtung der beiden Tiere so nah in und um die Kantons- respektive Gemeindegrenze die Nervosität bei den Zuger Landwirtinnen und Landwirten steigen.

Nervosität bei den Bäuerinnen und Bauern steigt
Wie das konkret aussieht, zeigt ein Besuch auf dem Hof Geissbüel in Baar. Dort hält Stefanie Ehrler rund 300 Schafe. «Im Winter sind wir nervöser, weil der Wolf näher kommt», sagt sie. Sie kennt viele ihrer Tiere persönlich: «Etwa 50 Schafe erkenne ich sofort. Auch die haben Gefühle.» Wenn ihnen etwas zustossen würde, würde ihr das sehr nahe gehen.

Um ihre Herde zu schützen, hat sie verschiedene Massnahmen ergriffen. Blitzlampen sorgen nachts für unregelmässiges Licht, das Wölfe irritieren soll. Stromnetze sichern die Weiden zusätzlich, auch gegen Hunde von Spaziergängern, die für Ehrler ein ebenso grosses Problem darstellen. Ihre Schafe tragen zudem Glöckchen, die Lärm erzeugen und die Raubtiere abschrecken könnten, vermutet sie.

Zweimal täglich kontrolliert sie die Tiere bei der Fütterung. «Wenn der Wolf in der Nähe ist, merkt man es sofort. Die Herde wird unruhig, die Tiere meckern dann nicht mehr.» Bislang hat Ehrler selbst noch keinen Riss erlebt, dennoch bleibt die Sorge. «Unser Nachteil, dass der Hof in einem Wohnquartier liegt, ist gleichzeitig auch unser Vorteil.» Der Stall ist geschützt. Aber die Berichte über Sichtungen beunruhigen sie trotzdem.

Wenn der Wolf zuschlägt
«Man muss grundsätzlich jederzeit mit Wildtieren rechnen», sagt Beda Schlumpf vom AFW. Während Wölfe pro Tag locker 80 Kilometer zurücklegen können und in unserer Region oft nur auf der Durchreise sind, geht der Luchs noch seltener in die Nähe von Nutztieren. Dennoch beobachtet das Amt die Entwicklung aufmerksam. Offiziell gilt: Der Wolf ist in der Schweiz geschützt, sein Management ist im eidgenössischen Jagdgesetz verankert. Regulierungseingriffe sind nur in Ausnahmefällen möglich, wenn ein Tier wiederholt Schäden anrichtet.

Im Kanton Zug regelt das «Konzept Wolf» den Umgang mit Sichtungen, Rissen und Verdachtsfällen. Das Verfahren ist klar: Bestätigt sich die Präsenz eines Wolfs, informiert das Amt alle registrierten Nutztierhalter per SMS-Warndienst. Wird ein Tier tot aufgefunden, muss sofort die Wildhut über die Polizei alarmiert werden. Das Tier wird gesichert, Spuren dokumentiert und immer werden DNA-Proben genommen.

Für die Schäden an Nutztieren erhalten die Tierhalter eine Entschädigung gemäss dem Schadenrechner von Züchterverbänden und dem BAFU. Voraussetzung ist allerdings, dass der Schaden einem Wildtier eindeutig zugeordnet werden kann und die betroffenen Bauern die zumutbaren Herdenschutzmassnahmen umgesetzt haben. Dazu gehören zum Beispiel Stromzäune, Schutzhunde, Blitzlampen oder andere Präventionsinstrumente, die vom Landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum (LBBZ) Schluechthof in Cham koordiniert werden.

Weniger Tierrisse dank Herdenschutz
Zuletzt gab es im Kanton Zug im November 2023 ein Ereignis mit einem Wolf: Damals wurden auf dem Blasenberg oberhalb der Stadt Zug mehrere Schafe gerissen. Erst schienen die Bissspuren auf Hunde hinzuweisen, doch DNA-Analysen belegten, dass es ein Wolf war.

Dennoch wird nur ein verhältnismässig kleiner Teil der verendeten Nutztiere tatsächlich durch Grossraubtiere gerissen, dies geht aus einem Bericht des Tagesanzeiger über die Tierverkehrsdatenbank Identias hervor. «Demnach machen Wolfsrisse nur zwei Prozent der verendeten Tiere aus», erklärt Schlumpf. Das sei dem konsequenteren Herdenschutz zu verdanken. Im Kanton Zug ist bisher nur der Schaden an Nutztieren aus dem Fall vom November 2023 einem Wolf zuzuordnen.

Luchs: selten und meist ungefährlich
Der jüngst im Ägerital gesichtete Luchs wird weniger kritisch beurteilt. Anders als der Wolf, der in seltenen Fällen Schafe reisst, jagt der Luchs vor allem Rehe. Problematisch werden Luchse nur dann, wenn sie nicht in freier Wildbahn aufwachsen und somit das Jagen in der Natur nicht von klein auf lernen – wie etwa zwei Tiere in den vergangenen Jahren, die nach einer Jugend im Tierpark auffälliges Verhalten zeigten. In solchen Ausnahmefällen kann sogar ein Abschuss bewilligt werden.

Während in der Schweiz vor allem in den alpinen Regionen mittlerweile stabile Wolfsrudel leben, bleibt der Kanton Zug bislang Durchzugsgebiet. Ob sich dies in den kommenden Jahren ändert, hängt von der nationalen Bestandsentwicklung und der vorhandenen Lebensräume ab.

Für die Bauern bedeutet dies: wachsam bleiben und den Herdenschutz konsequent umsetzen. Für die Bevölkerung gilt: Begegnungen mit Wölfen sind äusserst selten, und meist flüchtet das Tier sofort. Sollte es doch einmal zu einer Sichtung kommen, empfiehlt das Amt für Wald und Wild, ruhig zu bleiben, sich bemerkbar machen, sich nicht zu nähern, Hunde anzuleinen und den Vorfall zu melden.


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