Letzte Papiersammlung der Baarer Schulen steht bevor

  03.12.2025 Schule/Musikschule

Der Fortschritt fordert seinen Tribut – auch dort, wo man es nicht erwartet: Nach mehr als 40 Jahren stellen die Schulen Baar die monatliche Papiersammlung ein. Durch die Digitalisierung wurde sie zum Defizitgeschäft.

ANNETTE KNÜSEL

Zusammen mit Josef (Sebi) Landolt hat der kürzlich verstorbene Alt-Gemeindepräsident Urs Perner vor mehr als 40 Jahren eine Tradition begründet, die am 17. Dezember enden wird. Als es noch sehr viel Altpapier gab und dieses einigermassen wertvoll war, gründeten er und andere den «Verein Organisation Altpapiersammlung» (APS Baar). Das erklärte Vereinsziel: Die Schülerinnen und Schüler sammeln Geld für den Kauf eines eigenen Lagerhauses. Um die Jahrtausendwende musste man sich eingestehen, dass ein eigenes Lagerhaus mehr Nach- als Vorteile mit sich bringen würde. So wurde dieses Ziel wieder aufgegeben.

Was aber bis heute geblieben ist: Monat für Monat ziehen zwei bis drei Oberstufenklassen los, um die Papierpäckli von den Baarer Strassen aufzulesen und zur Sammelstelle beim Ökihof zu bringen. Landwirte bringen die jungen Leute mit Traktor und Anhänger von Haus zu Haus. Der Erlös der Aktion wird – nach Abzug der Kosten für Aufwandsentschädigungen und Verpflegung – aufs Vereinskonto eingezahlt.

Bis heute kein einziger Unfall
Trotz des jugendlichen Alters der Sammler und dem damit verbundenen Übermut ist in all den Jahren nie jemand zu Schaden gekommen. Darüber freut sich Markus Bürgler besonders. Der Oberstufenlehrer organisiert die Papiersammlung seit 20 Jahren. «Wir weisen die Schüler und Schülerinnen sehr sorgfältig ein», berichtet er, «und haben auch die Chauffeure sensibilisiert.» Diese achten nicht nur auf ihr Fahrzeug und den Verkehr, sondern haben auch das Verhalten ihrer jugendlichen Fahrgäste im Blick. Es sei schon vorgekommen, dass ein Fahrer den Teenagern ordentlich den Tarif durchgegeben habe, wenn sie sich allzu wagemutig aus dem Wagen gelehnt haben, sagt Bürgler.

Also keine Unfälle, aber natürlich gab es Pannen und Missverständnisse. So zum Beispiel mit zwei Schü- lern, die nicht auf den Wagen mitfahren, sondern das Znüni am Ökihof vorbereiten sollten. Sie wurden nach der morgendlichen Einweisung losgeschickt: «Ihr wisst ja, wo der Ökihof ist? – Klar.» Doch die beiden kamen dort nicht an. Stattdessen meldeten sich die Kollegen vom Werkhof Zug per Telefon. Da wären zwei Schüler bei ihnen, die das Znüni für die Papiersammler vorbereiten wollten.

Finanziell geht’s nicht mehr auf
Fürs Papiersammeln erhält jeder Schüler, jede Schülerin pro Einsatz 20 Franken in die Klassenkasse, ein kleiner Zustupf für das nächste Lager. Auch der Wintersporttag, Exkursionen oder familiäre Härtefälle werden mit den Erlösen unterstützt. So einiges Gutes wurde im Laufe der Jahre mit diesem Geld finanziert, unbürokratisch und – wenn nötig – auch ganz diskret. Der Rechnungsprüfungskommission war diese angeblich «schwarze» Kasse trotzdem lange Zeit ein Dorn im Auge. Doch damit ist es jetzt so oder so vorbei.

Die Papiersammlung der Schulen ist heute ein Verlustgeschäft. Das liegt zum einen daran, dass es weniger Altpapier gibt. Noch im Jahr 2012 lasen die Schüler 626 Tonnen in den Baarer Strassen auf. «Im Jahr 2024 waren es nur noch 297 Tonnen, weniger als die Hälfte», hält Schulverwalter Thomas Stocker fest. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Altpapier stark gesunken, und damit auch die Preise. So können die entstehenden Kosten nicht mehr gedeckt werden, von einem Zustupf ganz zu schweigen.

Marcel Schmid-Twerenbold von der Franz Twerenbold AG erklärt: «Altpapier wurde vor allem für den Zeitungsdruck gebraucht, und der geht ja massiv zurück.» Auch Telefonbücher und Versandhauskataloge gibt es nicht mehr. Die Mengen beim Karton nehmen zwar zu: Hier steigt der Bedarf, der Online-Handel lässt grüssen. «Aber Karton können Sie mit den Schülern nicht einsammeln, zu sperrig», hält Schmid-Twerenbold fest.

Und wie geht es weiter?
So steht für die Schulen Baar am 17. Dezember die allerletzte Papiersammlung bevor. Auch der Verein APS Baar löst sich auf. Wie der Zustupf künftig erwirtschaftet werden kann, ist noch offen. Es gebe Ideen, sagt Bürgler, aber diese seien noch nicht spruchreif. Die individuelle Unterstützung bei Härtefällen soll auf jeden Fall fortgesetzt werden.

Die Altpapiersammlung wird ab Januar komplett in die Abfallrechnung der Gemeinde integriert und von der Firma Twerenbold im Auftrag der Gemeinde durchgeführt. Die Termine kann man dem Recycling-Merkblatt und der Sammelkalender-App des Zeba entnehmen. Wer sein Altpapier nicht gebündelt auf die Strasse stellen möchte, kann es unverändert in die Ökihöfe der Gemeinde Baar bringen. In Allenwinden führt der örtliche Turnverein die Papiersammlung unverändert fort.

Und so endet eine lange Baarer Tradition just in dem Jahr, in dem auch der Verlust des allseits geschätzten Alt-Gemeindepräsidenten Perner zu beklagen ist, der sie – damals noch als Lehrer – ins Leben gerufen hat.


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