Oberdorf: Freie Parkplatzwahl oder feste Regeln?

  14.08.2024 Natur

Seit mehreren Jahren werden auf einem Gelände mitten im Oberdorf massiv Parkbussen verteilt. Seit dem 16. Januar gilt sogar ein Fahrverbot. Wer nur auf dem Gelände wendet, wird gebüsst. Was ist da los?

ANNETTE KNÜSEL

Zwölf gelb markierte Parkplätze in der Oberdorfstrasse 3 sorgen immer wieder für Aufregung. Sogar im China-Restaurant am anderen Ende der Strasse kennt man das Problem. Ein Geschäftspartner hatte sein Auto kurz auf diesem Parkfeld abgestellt. Dafür kassierte er eine Busse. Er wehrte sich dagegen, musste aber schliesslich nachgeben und dreihundert Franken zahlen.

Kurzparkierer versus Eigentümer: wer hat welche Rechte?
Die Autowerkstatt Hegglin liegt direkt neben dem Parkfeld. «Wie dies auf dem Privatgrundstück gehandhabt wird, wissen wir nicht direkt», sagt Manuela Räber-Hegglin. Aber auf dem Vorplatz der Garage kommt es zu ähnlichen Szenen: Regelmässig müssen die Mitarbeiter fremde Autofahrer wieder wegschicken, die ihr Auto «nur schnell» parkieren möchten, um einkaufen zu gehen. «Wenn jemand fragen würde, dann könnte man auch einmal ein Auge zudrücken», sagt Räber-Hegglin. Und hält fest: «Hier im Oberdorf gibt es doch wirklich genug öffentliche Parkplätze»

Ömer Celik vom Fresh Shop direkt gegenüber dem Parkfeld ist aufrichtig empört. Er hat die Entwicklung genau beobachtet: Erst sei eine Security-Firma gekommen und hätte per Hand Bussen verteilt. Das habe Diskussionen gegeben, deshalb seien sie wieder abgezogen. Dann sei eine Kamera installiert worden. Seit einem halben Jahr gibt es nun das neue Plakat mit dem Fahrverbot. «Vorher durften alle parkieren», sagt er im Brustton der Überzeugung. Und für ihn ist klar, dass der Inhaber des Restaurants «My Oriental Cuisine» hinter den Bussen steht. Zwar hat dieser mehrfach widersprochen, auch öffentlich. Doch das glaubt Celik nicht: «Der lügt.»

Bussen als Reaktion auf eine langjährige Entwicklung
Anruf beim Eigentümer der Liegenschaft, zu der die Parkplätze gehören. Sein Name soll nicht in der Zeitung stehen, ist der Redaktion aber bekannt. Er hält die Liegenschaft seit vielen Jahren, und ja, er hat die Sicherheitsfirma be- auftragt. Schliesslich müsse er dafür sorgen, dass die Mieter der Parkplätze – unter anderem das genannte Restaurant, aber nicht nur – diese auch rund um die Uhr nutzen können. Er erinnert sich: Vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren entwickelten sich an dieser Liegenschaft zwei Probleme, Wildparkieren und Littering. Zum einen fanden seine Mieter ihre Parkplätze mitunter von fremden Autos besetzt. Zum anderen häuften sich Fast-Food-Verpackungen, Hausmüll und auch organische Hinterlassenschaften auf den Parkplätzen an.

Schon seit 1995 besteht für diese Liegenschaft ein gerichtliches Parkverbot. Seither ist es Nicht-Mietern verboten, die Parkplätze zu nutzen. Im Jahr 2019 begann die Firma Unisecur GmbH, im Auftrag des Eigentümers die Einhaltung des Parkverbots sicherzustellen. Dazu montierte sie im Mai 2020 Kameras. Per 16. Januar 2024 erwirkte sie beim zuständigen Gericht ein neues, den «heutigen Ansprüchen entsprechendes» Verbot. Dabei wurde das Parkverbot um ein Fahrverbot ergänzt. Der Eigentümer ist mit der Entwicklung zufrieden: «Aus unserer Sicht ist die Situation heute gut bis sehr gut, weil die Leute es wissen und sich daran halten.»

Unterschiedlich hohe Bussen verwirren
Ein Teil der Bussen wird von der Gemeinde Baar ausgestellt. Dort sind seit Mitte Januar keine Anzeigen wegen Falschparkierens mehr eingegangen. Stattdessen aber fünfzig Anzeigen wegen Missachtung des Fahrverbots. «Das sind im Vergleich weniger als früher», sagt Kommunikationschef Silvan Meier. Die Gemeinde ist gesetzlich verpflichtet, Bussen auszustellen, wenn ein Grundstückseigentümer die Übertretung eines privaten Park- oder Fahrverbotes meldet. Diese Busse kostet hundert Franken. Die Firma Unisecur verlangt von der Gemeinde, dass mit jeder Busse gleich auch ein Strafbefehl ausgestellt wird. Dem muss die Gemeinde Folge leisten.

Zur Anzeige bei der Gemeinde kommen allerdings nur diejenigen Fahr- zeughalter, die Unisecur nicht selbst ermitteln kann. Das sind laut Aussage von Geschäftsführerin Claudia Byell etwa dreissig Prozent. Die anderen siebzig Prozent erhalten direkt von Unisecur eine Rechnung über hundert Franken, genannt «Umtriebsentschädigung». Wer diese nicht zahlt, erhält nach zwei Unisecur-Mahnungen Post vom Betreibungsamt und wird bei der Gemeinde wegen Missachtung des richterlichen Verbots angezeigt. Die unterschiedlichen Verfahren erklären, warum die zu zahlenden Beträge unterschiedlich hoch sein können.

Dichtes Gedränge neben freier Fläche – doch die Regeln gelten
Die Park- und Fahrverbotszone ist deutlich sichtbar ausgezeichnet: mit einer grossen Verbotstafel, weiteren Schildern auf dem Gelände und gelben Bodenmarkierungen an der Einfahrt. Eigentlich kann man das Verbot nicht übersehen. Wie kann es sein, dass trotzdem so häufig dagegen verstossen wird?

Vor Ort wird deutlich: Zu Stosszeiten quillt die Oberdorfstrasse über vor Autos – und daneben ist die private Parkfläche völlig leer. Es kann doch nicht sein, dass man dort nicht einmal wenden darf?! Darauf angesprochen, sagt Byell: «Ohne Konsequenz käme der alte Zustand zurück: Urinieren, Müllentsorgung sowie fortwährendes unbefugtes Befahren des Privatareals, inkl. Kehrmanöver mit den dazugehörenden Lärmemissionen.»

Der Eigentümer erzählt, dass er häufig kontaktiert wird von Leuten, die sich zu Unrecht gebüsst fühlen. Früher hat er ihre Einwände geprüft und dazu die entsprechenden Kameraaufnahmen angeschaut. Das macht er heute nicht mehr. «Die Leute lügen einen rotzfrech an», hält er fest. Zum Beispiel wird behauptet, man hätte nur zwei Minuten im Wagen gewartet. Die Aufnahmen zeigen aber, dass das Auto fast eine halbe Stunde parkiert war.

Tatsächlich sind öffentliche Parkplätze nicht weit. Nur etwa 200 Meter entfernt, am anderen Ende der Oberdorfstrasse, kann man sein Auto gegen Gebühr ganz legal abstellen. Doch anscheinend ist das vielen Autofahrern schon zu weit weg. Oder lesen sie aus Bequemlichkeit die Verbotstafeln nicht? Die Schilder besagen deutlich: Ausser den zahlenden Mietern darf auf diesen Parkplätzen niemand stehen oder fahren, so sind die Regeln.

Wer gegen Regeln verstösst, muss mit Bussen rechnen. Es sei doch eine Frage der Haltung, meint der Eigentümer der Liegenschaft: «Stehe ich zu meinen Fehlern, und mache sie wieder gut?»


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