Vom Informatiker zum Meister der Kampfkunst

  15.01.2025 Gesellschaft, Sport

Mit elf Jahren hat Sami Ben Mahmoud mit Wushu begonnen. 28 Jahre später gehört der Baarer Kampfkünstler zur Weltelite. Als Nationaltrainer und Inhaber einer Kampfsportschule gibt er sein Wissen weiter.

RAHEL HEGGLIN

Wushu ist eine chinesische Kampfkunst, die Bewegung, Technik und Meditation vereint. Eine Subkategorie davon ist Kung-Fu, welche den Karrierestart von Ben Mahmoud legte. Der Kampfkünstler mit tunesischen Wurzeln ist in Zürich aufgewachsen und hat dort mit dem Kampfsport kurz vor dem Teenageralter begonnen: «Mein Vater ermutigte mich, mit Kung-Fu anzufangen. Damit wollte er mein Selbstvertrauen und meine Selbstverteidigung stärken», erinnert sich Ben Mahmoud. Die Dynamik und Disziplin von Kung-Fu faszinierten ihn derart, dass er nach sechs Jahren Unterricht die Schule wechselte, um Wettkämpfe zu bestreiten.

Gürtelfarben sind eine westliche Erfindung
Dafür trainierte er neben seiner Lehre zum Informatiker sechs Mal pro Woche und unterrichtete nebenbei noch die jüngeren Schüler. «Da es verschiedene Disziplinen gibt, hat man nie ausgelernt. Man kann beispielsweise in einer Disziplin antreten, in der man mit Waffen ohne Gegner sein Können zeigt. Oder aber auch im gegenseitigen Duell. Wushu ist so vielfältig, dass es mir damit nie langweilig wurde», so der 39-Jährige. Er besitzt auch keinen schwarzen Gürtel, wie man das meinen könnte: «Das ist eine Erfindung der westlichen Kultur. Im asiatischen Raum bekommt man keine Gürtel, die auf Farben abgestuft sind. Ich werde ein ewiger Weiss-Gurt-Schüler bleiben», sagt er. Dies symbolisiere in der asiatischen Kampfkunst nicht nur die ständige Bereitschaft zu lernen, sondern auch die unerschütterliche Leidenschaft für die Sportart. «Wushu ist eine Lebensphilosophie, die Meditation, Atemtechnik und präzise Formen vereint. Wenn ich trainiere, bin ich im Hier und Jetzt. Die Probleme der Welt verschwinden für diesen Moment», so Ben Mahmoud.

Die internationalen Bühnen
«Die ersten Wettkämpfe verliefen ernüchternd. Ich schnitt jeweils mit den letzteren Plätzen ab», erzählt er. Diese Platzierungen prognostizierte ihm sein Trainer sogar vor den Wettkämpfen. «Damit wollte er mich nicht entmutigen, sondern das Gegenteil bewirken. Denn meine Gegner praktizierten Wushu schon viel länger und waren daher besser. Mein Ziel sollte sein, dranzubleiben und an mir zu arbeiten.» Ehrgeizig, fast verbissen, trainierte er weiter und reiste 2001 auch nach China, um die Kampfkunst in ihem Ursprungsland zu lernen. Ein weiterer Aufenthalt in China erfolgte 2007. Im gleichen Jahr bestritt er zum ersten Mal eine Weltmeisterschaft, welche in Peking stattfand. «Ich trat mit grossem Selbstvertrauen und hoher Erwartung an. Doch zu meiner Enttäuschung war ich chancenlos und wurde Letzter», erinnert er sich.

Sein Durchbruch gelang ihm zwei Jahre später an der Weltmeisterschaft in Toronto. «Ich startete in meiner Kategorie als Letzter. Die Halle leerte sich schon allmählich. Aber ich konnte eine sehr gute Performance zeigen und wurde von rund sechzig Teilnehmern Achter.» In den weiteren Jahren absolvierte er viele Wettkämpfe und weitere Reisen nach China. «Zu meinen persönlich grössten Erfolgen zählt der achte Platz in Toronto, weil dieser der Grundstein für meine Karriere war. Aber auch die beiden Europameistertitel und der dritte Platz an einem Turnier in China sind grosse Erfolge.»

Eigene Kampfsportschule
Da Wushu ein Nischensport mit wenig öffentlicher Unterstützung ist, musste Ben Mahmoud seine Reisen zu den Wettkämpfen selbst finanzieren. «Das konnte ich mit meinem Job als Informatiker glücklicherweise gut. Zudem hatte ich immer Arbeitgeber, die mir unbezahlte Ferien ermöglichten.»

2015 gründete der damals 30-Jährige seine eigene Kampfsportschule, die WU – Academy of Martial Arts in Baar. Seinen sicheren Job als Informatiker behielt er noch bis 2019, danach setzte er alles auf die Selbständigkeit. In seiner Kampfschule unterrichtet er Kinder, Jugendliche und Erwachsene in verschiedenen Kampfsport-Disziplinen. Seine jüngsten Kunden sind zwei Jahre alt.

Neben seiner Tätigkeit als Trainer ist er auch Präsident des Schweizer Wushu-Verbands und Nationaltrainer. Mit diesen Engagements setzt er sich ein, die nächste Generation im Wushu zu fördern und den Sport in der Schweiz populärer zu machen.

Das vielleicht letzte Turnier
Für Ben Mahmoud steht in diesem Jahr ein weiteres Highlight bevor: Die Teilnahme an den World Games, den Olympischen Spielen der nichtolympischen Sportarten. «Zu diesen Wettkämpfen dürfen die besten sechs der vorangegangenen Weltmeisterschaft antreten sowie der Gewinner eines Qualifikationsturniers. Da ein paar der besten sechs aus der Weltmeisterschaft nicht mehr antreten, bin ich nachgerückt und habe mich so qualifiziert. Das ist zu 99 Prozent mein letzter Wettkampf.» Dieser findet im August in China statt. Ob er danach wirklich aufhört oder vielleicht doch noch an der Weltmeisterschaft im September teilnehmen wird, will sich der dann bald 40-Jährige noch genau überlegen.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote