Zu Fuss nach Jerusalem
23.04.2025 Kirchliches«Sie war schon ein bisschen verrückt, die Idee von Baar nach Jerusalem zu laufen», sagt Rosanna Brusadelli rückblickend. Während elf Monaten hat sie zwischen August 2018 und Januar 2020 zwölf Länder bis zum Ziel durchquert.
FRANZ LUSTENBERGER
Die letzten Meter sind oft die schwierigsten – was man über den Marathonlauf sagt, galt auch für die letzten Kilometer nach Jerusalem. Von Jericho am Jordan (250 Meter unter dem Meeresspiegel) geht es hinauf nach Jerusalem (800 Meter über Meer) gibt es eine Höhendifferenz von über tausend Metern zu bezwingen. Und das durch eine Wüste voller Abgründe, hinunter und wieder hinauf. «Ohne die Unterstützung eines Beduinenführers hätte ich den Weg trotz GPS wohl nicht bewältigt.» Kurz vor dem Ziel dann noch eine hohe Mauer, welche Israel von den palästinensischen Gebieten trennt. «Ein trauriges, ja schockierendes Bild: was für ein Kontrast zu dem Anliegen meines Pilgerwegs, der ein Weg des Friedens sein will.» So beschreibt Brusadelli, die allein unterwegs war, ihre Gefühle in ihrem Buch, welches 2024 veröffentlicht wurde.
Pilgern ist Laufen ohne Leistungsdruck
Neben dem Selbstvertrauen «ich schaffe das» erwähnt die Pilgerin auch immer wieder ihr Vertrauen in Gott, das ihr jeden Tag aufs Neue die nötige Sicherheit gegeben habe. «So habe ich einen Schritt nach dem anderen gemacht.» Und zwar ohne Leistungsdruck. Von ihrem Weg abhalten liess sich die Baarerin, die in der Fokolar-Bewegung verwurzelt ist, auch nicht von unliebsamen Überraschungen. Wegen Knie- und Fussproblemen musste sie in Belgrad einen Monat Pause einlegen. Und in Skopje, der Hauptstadt Nordmazedoniens wurde sie von einem der unzähligen herumstreunenden Hunde gebissen. Brusadelli musste ihren Pilgerweg für mehrere Monate unterbrechen. Mit gemischten Gefühlen habe sie den zweiten Teil des Weges wieder in Angriff genommen, den grössten Teil davon durch die Türkei.
Schlafen in der Moschee
Ihr Rucksack wog ohne Essen und Trinken rund 11 Kilogramm; übernachtet hat die Pilgerin in Hotels, Pensionen, in Klöstern und Pfarrhäusern, bei Freunden der weltweiten Fokolar-Bewegung, sehr oft aber auch bei Menschen und Familien, denen sie auf dem Weg begegnet war. Oder eben im oberen Stockwerk einer Moschee. Im Buch bringt sie die grosse Gastfreundschaft auf den Punkt: «Sie haben fast nichts und geben alles.» Sie sei nie Serben, Griechen oder Türken begegnet, es «waren immer Menschen voller Herzlichkeit».
Der Pilgerweg führte die Baarerin nach Antakya, einer Grossstadt an der Grenze zu Syrien. Wegen des Bürgerkrieges war der direkte Weg durch Syrien versperrt; sie entschied sich für einen Flug nach Ammann, der Hauptstadt Jordaniens; um von dort aus nach Jerusalem zu pilgern. Zuerst rund tausend Metter Höhendifferenz hinunter bis zum Toten Meer und dann die gleiche Höhendifferenz wieder hinauf, durch den israelischen Checkpoint, wo die zwei kleinen Schweizer Sackmesser genau unter die Lupe genommen werden.
Dann, am 7. Januar 2020, erreichte sie ihr Ziel. Zuerst den Ölberg mit Blick auf die Altstadt mit dem Felsendom und seiner goldenen Kuppel und danach die Grabeskirche im christlichen Viertel der Altstadt. Brusadelli: «Ich träumte nicht, mich erfüllte ein tiefer Moment der inneren Freude.»
Mehr als ein Tagebuch
In ihrem Buch «Zu Fuss nach Jerusalem» schildert Rosanna Brusadelli ihre Erlebnisse, vom Aufbruch in Baar bis zur Ankunft in Jerusalem. Sie berichtet über ihre Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen auf dem langen Weg; sie hält aber auch oft inne und verbindet den äusseren Fussmarsch mit dem Weg nach innen zu sich selbst. Das Buch ist im Buchhandel (Verlang Neue Stadt, Heidengssse 5 in Baar) oder in jeder Buchhandlung erhältlich.
Jerusalem Way
Die Baarer Pilgerin hat ihren Weg und alle Änderungen mit dem Handy aufgezeichnet sowie die GPS-Daten und die Informationen weitergeleitet. Entstanden ist der Jerusalem Way; dieser reicht von Finisterre an der spanischen Atlantikküste (westlich der Pilgerstadt Santiago de Compostela) bis nach Jerusalems. Diese Stadt ist der wichtigste Ort für Christen und Juden, ein heiliger Ort für Muslime und gilt als Schnittpunkt dieser drei Religionen. Der Jerusalemweg soll verschiedene Religionen, Nationen und Kulturen in einem aussergewöhnlichen Friedensprojekt zusammenbringen. Die Friedenstaube steht als Symbol für diesen Weg (www.jerusalemway.org)