Eine Rechnerei, mit der sich selten jemand befasst

  02.07.2025 Politik

Die Tangente Zug/ Baar ist seit vier Jahren offen. Im Vorfeld dieser Neuordnung des Verkehrs sprachen viele von einem verkehrstechnischen Befreiungsschlag. Geht es um Zahlen, fehlen weiterhin aussagekräftige.

MARCO MOROSOLI

An einem Werktag kurz vor zwölf Uhr: Der Verkehr auf der Marktgasse in Richtung Nord stockt, aber es geht schnell wieder vorwärts. Vor der Eröffnung der Tangente Zug/Baar (TZB) im Juni 2021 war die Marktgasse häufig verstopft.

In einer Pressemitteilung von Anfang April 2022 teilte der Kanton Zug mit, dass auf diesem Baarer Strassenabschnitt 2016 insgesamt mehr als 20’000 Fahrzeuge in beiden Richtungen verkehrten. 2022 wies der Kanton Zug auf diesem Verbindungsstück der Marktgasse noch 13’141 Fahrzeuge aus. Das ist ein Minus von 36,4 Prozent. In einem anderen Papier zur TZB wies der Kanton Zug die Verkehrsbelastung im Jahr 2005 mit 23’800 Motorfahrzeugen pro Tag aus.

Das wäre ungefähr das gleiche Verkehrsaufkommen wie es die Neugasse in Zug aufweist. Da aus den Zählungen nicht hervorgeht, ob Motorfahrzeuge pro Tag nur an Werktagen oder während der ganzen Woche gezählt werden, könnte der Tageswert 2005 sogar noch höher gelegen haben.

Auf der Ägeristrasse ist merklich weniger los
Den grössten Nutzen aus der TZB-Eröffnung ziehen die Anwohner der Ägeristrasse. Der Verkehr auf diesem Strassenabschnitt hat sich laut Kanton um die Hälfte reduziert. In Zahlen: 10’149 Fahrzeuge (2016), 4’389 Fahrzeuge (2022). Diese Zahlen hat der Kanton Zug in einer Mitteilung am 8. April 2022 kommuniziert.

Insgesamt nennt die Baudirektion des Kantons Zug zehn Zählstellen. Auf dem öffentlichen Portal zug - map.ch ist eine viel höhere Zahl zu finden. Diese Reduktion ist dem Umstand geschuldet, dass der Verkehr vom Berg über die fast 200 Millionen Franken teure Tangente in Richtung Autobahn abgeführt werden kann. Viele Gewinner des neuen Strassenstranges stammen aus Unterägeri, Oberägeri, Menzingen und Allenwinden. Auch der öffentliche Verkehr profitiert von der Tangente: Die Schnellbusse nach Oberägeri fahren jetzt über die neue Verbindung in Richtung Berg.

Was sich empirisch nachweisen lässt: Die Nutzung der Tangente Zug/Baar seit Juni 2021 hat Verkehr aufgenommen, der früher noch die Ortszentren von Baar wie auch von Zug belastete. Es ist jedoch aufgrund der öffentlich zugänglichen Daten schwierig, scharfe Abgrenzungen vorzunehmen. Das zeigt sich am Kreisel Talacher gut. An diesem Knoten ergab die amtliche Zählung 7’426 Motorfahrzeuge, die von Zug kamen oder dorthin gelangen wollten. Vor der Tangenten-Eröffnung lag dieser Wert bei 9’300 motorisierten Einheiten – eine deutliche Reduktion.

Von der Schwierigkeit, Vergleiche zu ziehen
Ein weniger einheitliches Bild präsentiert sich beim Strassenast vom Talacher in Richtung Baar, und damit zur TZB. Waren es 2019 dort noch 8’150 Fahrzeuge, die diese Verkehrsachse nutzten, stieg dieser Wert mit der Eröffnung der Entlastungsroute auf 11’570 Autos. Eine durchaus gewollte Entwicklung, doch 2022 sank dieser Wert wieder unter die Zahl 10’000 (9’650 Fahrzeuge/2022).

Was genauere Vergleiche zwischen den verschiedenen Zählpunkten erschwert: Es gibt Aufzeichnungen, die die Anzahl Fahrzeuge richtungsgetrennt ausweisen. An anderen Punkten werden alle Verkehrsteilnehmer zusammengezählt. An manchen Stellen dauert die Zählaktion nur ein paar Tage und wird hinterher hochgerechnet. An anderen Punkten umfasst der Zählrahmen dann gar 657 Tage.

Gegenüber dem Online-Portal Zentralplus äusserte sich der Kantonsingenieur Marc Amgwerd so: «Grundsätzlich können wir nicht mit Gewissheit beurteilen, welche Faktoren zu einem veränderten Verkehrsaufkommen geführt haben.»

Der Verantwortliche des Kantons in Sachen Tangente erwähnte an gleicher Stelle, dass «mögliche Einflussgrössen» mannigfaltig seien. Er nannte unter anderem das Wetter, Veranstaltungen und Baustellen. In die letzte Kategorie gehörte sicher die längere Sperre der Verbindung Nidfuren-Schmittli (2022/2023).

Womöglich plant der Kanton Zug zum fünfjährigen Jubiläum der Tangente Zug/Baar eine Zählaktion nach immer gleichem Grundmuster (richtungsgetrennt, Personenwagen, Lastfahrzeuge und so weiter). Dann könnte er am 24. Juni 2026 den Steuerzahlenden kundtun, dass der Mitteleinsatz von fast 200 Millionen Franken für eine 2,3 Kilometer lange Strecke lohnend war.

Kanton will mit wenig Eile Verkehrszahlen erheben
Der Kanton Zug kann immerhin einige Zahlen liefern. Aus dem Baarer Rathaus ist vom Bauvorstand Zari Dzaferi zu hören: «Ja, der Verkehr hat seit der Eröffnung der Tangente abgenommen.» Für Zahlenmaterial verweist er an das kantonale Tiefbauamt. Das macht Sinn, denn Baars Durchgangsstrassen unterliegen der kantonalen Hoheit.

Das ist im kantonalen Gesetz über Strassen und Wege festgelegt. Online gibt es die passende Karte (zg.ch) dazu. Dzaferi erklärt, dass die Gemeinde «punktuelle Verkehrsmessungen» mache, diese liessen jedoch keine «Rückschlüsse aufs Gesamtverkehrsnetz zu».

Verlässliche Zahlen sollen bald vorliegen. Der Baarer Bauvorstand erwähnt die Planung einer Fokusstudie, welche der Kanton nach dem Nein des Zuger Stimmvolkes zu den beiden geplanten Tunneln Anfang März 2024 lancierte.


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