Goodbye Genf, Grüezi Baar – SGS packt die Koffer

  18.06.2025 Wirtschaft

Der 1878 im französischen Rouen gegründete Warenprüfkonzern SGS zieht im kommenden Winter von Genf nach Baar. Die tiefen Steuern im Kanton Zug waren nur ein Grund für die Veränderung.

MARCO MOROSOLI

Der ehemalige Firmensitz der Partners Group an der Zugerstrasse 57 in Baar steht seit einiger Zeit leer. Der Finanzdienstleister hat auf der anderen Seite der Geleise von Zug nach Baar repräsentativere Bauten erstellt und im vergangenen Jahr bezogen.

Der Leerstand an der Zugerstrasse ist aber endlich. Verschiedene Wirtschaftsmedien schrieben Anfang Jahr, dass der Genfer Warenprüfkonzern Société General de Surveillance (SGS) sein Hauptquartier nach Baar verlege. Das 1878 im französischen Rouen gegründete Unternehmen firmierte seit 1915 in Genf.

Vincent Subilla, Direktor der Genfer Handelskammer und FDP-Politiker, sagte gegenüber dem Magazin «Bilanz»: «Keiner versteht den Entscheid.» Subilla legte im gleichen Bilanz-Artikel noch nach: «Die Einsparungen, die die SGS durch diesen Umzug geltend mache – jährlich rund zehn Millionen Franken – stünden in keinem Verhältnis zum angerichteten Schaden.» Letzterer habe, so äussert sich Subilla gegenüber der Zeitung «Tribune de Genève», die Qualität eines «ökonomischen Erdbebens».

Die Aktionäre als Entscheidungsträger hatten hingegen keine Skrupel. Ende März 2025 segneten die SGS-Eigentümer den Umzug nach Baar mit einem Ja-Anteil von 90 Prozent ab.

SGS-Chefin wohnt bereits im Kanton Zug
Die Treiberin hinter diesem Standortwechsel ist der neue SGS-CEO Géraldine Jeanne Marcelle Picaud. Die 55-jährige Französin wohnt – so offenbart es ein Handelsregisterauszug – in Oberwil bei Zug. Die Powerfrau ist sportlich und schwimmt gerne im See. Dafür muss sie an ihrem aktuellen zivilrechtlichen Wohnort nicht weit laufen. Der (Genfer)See liegt auch beim langjährigen Hauptsitz der SGS am Place des Alpes in Genf zwei Häuserblocks entfernt, aber das Schwimmen dort findet in einer wesentlich belebteren Umgebung statt.

Die SGS-Chefin ist aber nicht etwa aus einem vorauseilenden Gehorsam in den Kanton Zug gezogen. Ihr Zentralschweizer Domizil hängt mit einem früheren Engagement zusammen. Sie heuerte 2018 bei Holcim an. Der global tätige Konzern gehört schweizweit zu den führenden Anbietern von Baulösungen in den Bereichen Hochbau, Tiefbau und Infrastruktur. An 55 schweizweiten Standorten produziert das Unternehmen Beton, Kies und Zement und recycelt Abbruchmaterialien. Der Global Player wählte Zug als Steuersitz. Treibende Kraft bei der Bündelung: Géraldine Picaud. Holcim geschäftet in der Nähe des Bahnhofs Zug: Präsent ist der Mischkonzern des Öfteren an Werktagen, wenn ein Güterzug den Kanton Zug von Rotkreuz bis nach Baar-Litti durchfährt.

Das ist beim neuen SGS-Hauptsitz an der Zugerstrassee 57 in Baar schon von der Lage her unmöglich. Auf der anderen Strassenseite befindet sich eine Mac-Donalds-Filiale und eine stark frequentierte Tankstelle. Die Bushaltestelle «Baar Stadtgrenze» befindet sich geradezu vor dem neuen SGS-Hauptsitz.

Das Gebäude an der Zugerstrasse steht seit 2009 und ist als «Blu Baar» bekannt. Die nutzbare Fläche beträgt gemäss verschiedenen Quellen 7’500 Quadratmeter. In der Rhônestadt konnte die SGS über 12’000 Quadratmeter nutzen – für rund 150 Mitarbeitende. Im Zuge des Umzugs in die Zentralschweiz hat die SGS ihren langjährigen Wohnsitz an die Swiss Prime Site (SPS) verkauft. Die Online-Plattform watson.ch nennt einen Verkaufspreis von 125 Millionen Franken. In Baar ist die SGS Mieterin. Die Mietdauer beträgt zehn Jahre. Praktisch war, dass die SPS für die Vermietung der neuen SGS-Zentrale zuständig war.

150 Mitarbeitende ziehen um
Insgesamt sollen 150 der 170 SGS-Mitarbeitenden in die Zentralschweiz umziehen. Die Firma verspricht den Mitarbeitenden Hilfe bei der Wohnungssuche. Ein Stellenabbau sei mit der Verlegung des Hauptsitzes aber nicht verbunden, hiess es im Vorfeld. Den betroffenen Angestellten wolle das Unternehmen, wie finanzen.ch berichtet, «bestmögliche Angebote» für den Umzug anbieten. Auch von General-Abonnementen, die von der Arbeitgeberschaft bezahlten werden, ist die Rede.

Verschiedene Wirtschaftsmedien sprechen auch die neue OECD-Steuer an, die eigentlich für eine Nivellierung des Steuerwettbewerbes hätte sorgen sollen. Die Höhe der Sätze für die Einkommenssteuern könnte in Zukunft wieder das Zünglein an der Waage sein. Wie die «Bilanz» in ihrer neuesten Ausgabe schreibt, soll Géraldine Picaud bei SGS rund 6,25 Millionen Franken verdienen. Der Umzug nach Baar soll alles in allem zu Einsparungen von rund zehn Millionen Franken führen. Dies bei einem Umsatz von 6,8 Milliarden Franken. Die SGS ist in 115 Ländern aktiv. In 2’600 Niederlassungen arbeiten rund 97’000 Menschen.


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