Improvisierte Szenen nur für den Augenblick
03.12.2025 Musik/KulturDie Grauen Stare luden zu ihrer Jahresabschluss-Show ein. Die drei Theaterschaffenden boten nicht nur skurrile Situationskomik, sondern verlangten dem Publikum aktives Mitgestalten ab. Viele Premieren wurden zu vielen Dernièren. In drei Hälften erfuhr man, dass Fritteusen gerne mit Hörgeräten verwechselt werden, und ein Begleitmusiker schoss den Vogel ab.
LUKAS SCHÄRER
Für einmal war es nicht das Team der Rathus-Schüür, das den Anlass von vorletztem Freitag organisierte, sondern das Improvisationstheater «Die grauen Stare» selbst. Hierbei handelt es sich um Christine Stöckli, Marion Streit und Christopher Schneider, die sich 2017 bei einer Weiterbildung kennengelernt haben.
Bevor es mit improvisierten Szenen beginnen konnte, sorgte Musiker Demian Vogler an seiner Gitarre mit sympathisch schrägen Texten und Gesang für die passenden Rahmenbedingungen, die für viel Lachen und Schmunzeln sorgten. Weil «Die grauen Stare» zu dritt sind, wurde die Jahresabschluss-Show in drei Halbzeiten aufgeteilt. Natürlich war es nicht so wie im Fussball, wo die dritte Halbzeit konfliktbeladen ist und gerne auch Steine fliegen. Jede Halbzeit war ein Theaterspiel, das von einem der drei gar nicht mal so sehr ergrauten Vögel dirigiert wurde. Diese Spiele entwickelten sich rund um verbalen Input oder Gegenstände aus dem Publikum. Da das Geschehen komplett improvisiert wurde, war jede Szene Premiere und Dernière zugleich. Nur der Moment zählte. Alle, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht, wie es Dichterfürst Goethe seinem Mephistopheles in den Mund legte. Der Dekonstruktivismus des klassischen Theaters war unbeschwert und unterhaltsam, und das sollte es auch sein, wie Streit betonte.
Durch Pausen entsteht mehr als nur durch reden, reden, reden
Die Grauen Stare proben wöchentlich, so Streit: «Wir üben, uns gegenseitig zuzuhören, im Moment zu sein, spontan zu sein - und gemeinsam zu scheitern. Immer wieder aufs Neue. Es ist das Wichtigste, dass, wenn auf der Bühne etwas nicht so gut läuft, man weiss, dass die nächste Szene gut wird.» Da keine Texte und Abläufe einstudiert sind, an denen man sich festklammern könnte, muss man sich auf seine Mitspieler verlassen, wenn die eigene Stimmung so gar nicht nach Komik schreit. Streit: «Man wird von den anderen getragen. Wir stimmen uns gemeinsam durch ein Aufwärmprogramm ein, wo wir uns verbinden. Da passiert sehr viel. Dieses Verbinden lässt die persönlichen Probleme hinter sich. Da geht man meistens schon gestärkt auf die Bühne. Man darf aber auch auf der Bühne stehen und nichts sagen. Ein anderer wird es auffangen.» Auch wenn der Fluss der Ereignisse ins Stocken kommt, sind zwei andere da, die die Blockaden lösen können. Streit: «Die Strategie ist zuerst einmal, im Moment zu verharren und Emotionen aufzufangen. Was uns Spielern oft passiert, ist, dass wir immer reden, reden, reden. Viel mehr entsteht jedoch durch Pausen. Durch schweigen und gucken. Was nehme ich vom Gegenüber wahr? Dann kommt meistens eine Eingebung.»
Eine sanfte Gitarre beeinflusst den Verlauf der Spiele
Vorbereitet waren also nur einzelne Spiele. Gleich zu Beginn wurde ein Schal aus dem Publikum zur Würgeschlange und dann zur Brezel, während sich Streit und Stöckli beim olympischen Sockenfalten massen. In einer anderen Szene wurde der Wunsch des Sohnemannes, Fallschirmjäger zu werden, in drei verschiedenen Filmgenres dargestellt. In einer anderen Situation reklamierte eine renitente Kundin ihre Fritteuse, während der Verkäufer von einem Hörgerät ausging. Erschwerend kam hinzu, dass die Szene gesungen werden musste. Hier zeigte sich einmal mehr, wie fest Vogler mit seinem sanften Gitarrenspiel den Verlauf beeinflussen konnte. In der Folge eskalierte es am All-inclusive-Buffet, ein usbekischer Dichter brauchte einen Übersetzer, und die Rolling Stones fanden plötzlich keine «Satisfaction» mehr.
Das Ende verlangte wortwörtlich immer wieder nach einem Lied. Auch hier konnten sich die drei nicht in ein gemachtes Nest setzen. Das Programm endete, wie es begonnen hat: mit einem schrägen Vogel.




