Innovation in Wien, Erneuerung in Baar

  06.11.2024 Musik/Kultur

Das Kammerorchester Baar verabschiedet sich nach zehn Jahren von seinem Dirigenten Manuel Oswald. Das letzte Konzert thematisierte einen Epochen wandel: Ende der Wiener Klassik, Beginn der Romantik.

ANNETTE KNÜSEL

Die Wehmut ob der Trennung klang gleich zu Beginn des Abends an. Im bis auf den letzten Platz besetzten Gemeindesaal begrüsste Mirjam Arnold, Kantonsrätin und Orchestermitglied, zunächst das Publikum und insbesondere Ständerat Matthias Michel sowie Bürgerpräsident Erich Andermatt. Sofort danach hielt sie fest: «Dieses Konzert ist für das Orchester ein sehr emotionaler Abend.»

Die Musik im Mittelpunkt
Dennoch stand zunächst die Musik im Mittelpunkt. Die vorgetragenen Werke weisen, so führte Arnold aus, den Weg von der Klassik in die Epoche der Romantik. Beide brechen mit in der Klassik gültigen Konventionen und markieren so einen Wendepunkt in der Musikgeschichte.

Das Klarinettenkonzert in A-Dur (KV 622) hat Mozart kurz vor seinem Tod 1791 für ein damals recht neues Instrument, die Klarinette, geschrieben. Es überraschte sein Publikum mit grossen Sprüngen, schnellen Läufen und einem «Hauch von Jenseitigkeit», wie Dorothee Odermatt im Programmheft schreibt. Die Sinfonie Nr. 1 in C-Dur (op 21) des jungen Beethoven entstand im Jahr 1800 und markierte den Beginn seines sinfonischen Schaffens, mit dem er ganz neue Massstäbe setzen sollte.

Nachvollziehbar, dass das Konzert mit «Innovation in Wien» betitelt war. Dass beide Werke für heutige Ohren nicht besonders überraschend klingen, belegt einmal mehr das Schicksal alles Neuen: Irgendwann ist es nicht mehr neu, sondern Standard. Oder sogar Mainstream, wie etwa der zweite Satz des Klarinettenkonzerts. Seine getragene, wehmütige und wunderschöne Melodie ist Begleitmusik im Film «Out of Africa» mit Meryl Streep und Robert Redford aus dem Jahr 1985, also mit den heute gültigen Hörgewohnheiten vollkommen kompatibel.

Harmonie und Musikalität
Das Baarer Kammerorchester – per definitionem ein reines Streicherensemble – wurde an diesem Abend verstärkt durch Blasinstrumente wie Flöte, Fagott und Horn. Als Solistin glänzte die international bekannte Klarinettistin Caroline Inderbitzin aus Küsnacht. Sie interpretierte das Werk mit Geschick und Einfühlungsvermögen, spielte differenziert, lebendig und gleichzeitig technisch präzise.

Und das Laienorchester gab ihrem professionellen Spiel einen würdigen Rahmen. Offenbar ein Verdienst des Dirigenten, das die Bratschistin Renata Condrau wie folgt charakterisiert: «Er schraubt seine Ansprüche nicht runter, sondern holt uns Laien zu sich hoch.» Auch die Sinfonie von Beethoven, bei der zusätzlich noch weitere Blasinstrumente und eine Pauke ins Spiel kamen, ging geschmeidig und sicher über die Bühne.

Ein Abschied mit viel Wehmut
Zum Abschluss des Konzerts dankten die Orchestermitglieder Mirjam Weiss und Martin Spilker in wohl abgewogenen Worten dem scheidenden Dirigenten für die vergangenen zehn Jahre. Für sein Vertrauen in das Orchester und insbesondere für sein Zuhören. Er habe die Musiker gelehrt, sich selbst als Teil der Musik zu hören, die Musik mit ihren Instrumenten zu «singen», sie zu geniessen und mit einem Gefühl von Sicherheit vorzutragen. Viele spannende Werke habe das Orchester durch Oswald kennengelernt: «Daran konnten wir wachsen und uns ab und zu die Zähne ausbeissen. Du hast immer darauf vertraut, dass die Werke, die du für uns ausgesucht hast, zu Musik werden, die sich hören lässt.» Oswald bläst ins gleiche Horn: «Sie waren sehr offen. Wir sind zusammengewachsen», erinnert er sich. Er schätze an der Zusammenarbeit mit den Baarern den unglaublich angenehmen menschlichen Umgang, die Freundschaften, die entstanden sind, den gegenseitigen Respekt und die Wertschätzung im Orchester und vor allem wie die Musiker seine Impulse immer wieder neu aufgenommen hätten.

Der «emotionale Abend» ging mit einem reichhaltigen Apéro für das hoch zufriedene Publikum zu Ende. Am darauffolgenden Montag gab es noch eine Orchester interne Abschiedsfeier. Und schon beginnt die Einstimmung auf den neuen Dirigenten, der das Wirken Oswalds in Baar fortsetzen wird. Das Programm für sein erstes Konzert steht schon fest, das Baarer Publikum darf gespannt sein.


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