Im Alter von 28 Jahren erhielt ich die Diagnose Multiple Sklerose. Damals gab es wenig Behandlungsmöglichkeiten, mein Zustand verschlechterte sich rapide. Mit 43 musste ich in ein betreutes Wohnheim umziehen. Mit dem fremdbestimmten Leben hatte ich zu kämpfen. Dank meiner neuen Lebenspartnerin und Assistenzpersonen wohne ich nun seit zehn Jahren in einer barrierefreien Wohnung in Baar.

Diese Selbstbestimmung ist für mich ein hohes Gut. Doch längst nicht alle Menschen mit Behinderung können ihren eigenen Alltag gestalten, am gesellschaftlichen Leben teilhaben oder bei politischen Fragen mitbestimmen.

Besonders störend ist, dass unsere Zuger Kantonsverfassung Menschen vom Wahlrecht ausschliesst, die unter umfassender Beistandschaft stehen oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten werden. Ich weiss, es sind nur wenige Menschen mit Behinderung davon betroffen. Aber auch sie sind Teil unserer Gesellschaft und auch sie haben die gleichen Rechte.

Die Kritik, diese Menschen würden sich aufgrund ihrer Behinderung bei Abstimmungen beeinflussen lassen, zählt für mich nicht. Auch ich diskutiere mit anderen über Abstimmungsvorlagen, lasse mich beeinflussen oder beeinflusse sie. Das gehört zum politischen Prozess. Und ganz sicher wird kein Abstimmungsresultat durch die wenigen zusätzlichen Stimmen gekippt.

Aber im Leben von Menschen mit Behinderung macht es einen grossen Unterschied, ob man ein Abstimmungscouvert erhält oder nicht. Ob man wahrgenommen wird oder nicht. Als Rollstuhlfahrer erfahre ich jeden Tag zahlreiche Barrieren. Viele Hindernisse können wir nicht von heute auf morgen abschaffen. Doch wir können von heute auf morgen bestimmen, dass Menschen mit Behinderung nicht länger vom Stimmund Wahlrecht ausgeschlossen werden: Mit einem simplen «Ja» auf dem Stimmzettel vom 30. November. Ja zum kantonalen Wahlrecht für alle Menschen mit Behinderung.
Martin Jaussi, Baar
Mitglied Arbeitsgruppe Menschen mit Behinderung Zug, AMBZug