Kirschen brauchen Wasser, aber nicht so viel

  03.07.2024 Wirtschaft

Es hat in den letzten Monaten sehr viel geregnet, mit konkreten Auswirkungen auf die hiesigen Bauernbetriebe. Der Tenor bei den Bauern lässt sich in einem Wort zusammenfassen – «herausfordernd».

FRANZ LUSTENBERGER

Viele Baarerinnen und Baarer haben ihn vermisst, den Chriesistand der Bauernfamilie Röllin am samstäglichen Markt bei der Rathaus-Schüür. Verantwortlich für ihr Fernbleiben – die Tafelkirschen von Hochstammbäumen sind besonders vom schlechten Wetter betroffen. Die Bäume sind starken Pilzkrankheiten ausgesetzt, Und so Armin Röllin: «Die meisten unserer Kirschen der Frühsorten sind aufgeplatzt.» Denn das Wachstum der Fruchthaut könne mit dem Grössenwachstum der Frucht nicht mithalten.

Problem Fruchtessigfliege
Dazu kommt ein weiterer Punkt: die Fruchtessigfliege, welche die reifen Kirschen kurz vor der Ernte befalle und sie damit ungeniessbar mache. Das feuchtwarme Klima habe die Ausbreitung eher gefördert, sagt Josef Murer vom Inkenberg. Er bekämpft die Fliege mit eigens aufgehängten Fallen, mit Bechern, gefüllt mit Essig. Doch wirksamer – darin sind sich die beiden Bauern mit Hochstammbäumen einig – wäre die Zulassung eines natürlichen Feindes der aus dem asiatischen Raum eingeschleppten Essigfliege, nämlich der ebenfalls asiatischen Schlupfwespe. Röllin: «In der EU sind diese Wespen zur Schädlingsbekämpfung zugelassen, bei uns noch nicht.» Und Murer ergänzt: «Das Zögern der Bundesstellen kann ich nicht verstehen.» Schliesslich gehe es auch um die Zukunft der Kirschen-Hochstammbäume; allein Röllin zählt auf seinem Hof in Notikon deren 230.

Netz und Dach als Alternative
Heftige Niederschläge innert kurzer Zeit und die Klimaveränderungen sind herausfordernd für Landwirtschaftsbetriebe. Massnahmen gibt es einige. So hat Philipp Hotz vom Hotzenhof in Deinikon seine Kirschbäume auf einem angehäuften Damm von rund 50 Zentimetern Höhe angepflanzt, so stehen die Bäume weniger im nassen Boden. «Das bringt viel für die Baumgesundheit.» Auch bei ihm seien die frühen Kirschsorten besonders vom schlechten Wetter betroffen, bei den späteren Sorten sehe es besser aus.

Von der Bahn aus sind die Netze und Dächer der Obstplantagen im Hotzenhof gut zu sehen; das brauche es. Hotz: «Wenn wir lokale Produkte wollen, dann müssen wir die Kulturen auch entsprechend schützen können.» Das schlägt sich in den Kosten nieder – eine Hektare Kirschen, also 10’000 Quadratmeter, mit Folienabdeckung, Hagelschutz und Kirschessigfliegennetz braucht eine Investition von rund 160’000 Franken, die über die Jahre amortisiert werden muss und sich damit in den Preisen niederschlägt.

Beni Langenegger weist auf einen weiteren Punkt in der Witterung in diesem Frühjahr hin, einen «positiven». Es habe viel weniger Bisenlagen und deutlich weniger Frost gehabt. «Die Blütezeit war gut.» Ergänzend dazu sagt Cornell Andermatt vom Sternenhof: «Es geht in diesem Jahr wegen der Witterung im Frühling nicht so schnell vorwärts.» Aber jetzt gedeihe es: «Ich hoffe auf einen warmen und ausgeglichenen Sommer.»

Äpfel und Birnen auf gutem Weg
Beim klassischen Obst, bei Äpfeln und Birnen, sieht es im Hotzenhof gut aus. Die Bäume seien etwas weniger behangen als in anderen Jahren. Dies sei aber in Bezug auf die Qualität kein Nachteil, eher ein Vorteil. Obstbäume lassen im Juni sowieso einen Teil der Früchte herunterfallen (der sogenannte Junifall). Damit entfällt teilweise die Arbeit des Ausdünnens. Ähnlich wie im Rebbau, den der Hotzenhof ebenfalls betreibt. Weniger Früchte sind letztlich qualitativ süsser und daher auch zu besseren Preisen zu vermarkten.

Problematisch waren der regnerische Frühling und Frühsommer für die Kartoffeln, wenn die Böden über mehrere Tage ganz durchnässt sind. «Unsere Kartoffeln standen nie im Wasser», sagt Andermatt. Voraussetzung dafür sei aber auch ein qualitativ guter Boden mit einer genügenden Humusschicht. Rückblickend lässt sich festhalten, dass die Spargelernte in diesem Frühjahr witterungsbedingt deutlich tiefer ausgefallen ist. Und vorausblickend? Der Sternenhof baut Dinkel und Weizen für Brotmehl an, der Einfluss des Wetters werde sich erst bei der Ernte zeigen. Gleiches gilt für die Kürbisse auf dem Hotzenhof; diese habe man wegen des nassen Wetters etwas später eingepflanzt.

Konkrete Folgen hat das regnerische Wetter auch für die Betriebe, welche Milchwirtschaft betreiben und Rinder aufziehen. Der Einsatz der Maschinen ist bei nassen Böden nicht möglich; Gras und auch Heu verlieren wegen der Überreife der Pflanzen an Futterwert, das Gras ist überaltert. Andermatt: «Wir haben daher oft an den wenigen sonnigen Sonntagen arbeiten müssen.» Nun setzen alle von der Baarer Zytig befragten Landwirte auf sonnige Tage. Hotz: «Dann wird es trotz des Regens im Frühjahr noch gut.»

Anpassung ist notwendig
Mit regnerischen Frühlingstagen und mit Hitzetagen im Sommer ist in Zukunft vermehrt zu rechnen. Für Langenegger heisst dies: «Die Zucht
von Pflanzen muss der Klimaverände- rung folgen und diese aufnehmen.» Und die Landwirte müssen sich anpassen. Er macht zum Abschluss des Gesprächs ein weiteres kleines Beispiel aus seinem Betrieb, wo im Advent Weihnachtsbäume verkauft werden. Früher habe er Jungbäume im Frühling
angepflanzt, heute macht er das im Herbst. So vermeidet er den Hitzestress bei den neu gepflanzten Weihnachtsbäumen, die dann Jahre später in den Wohnzimmern Freude bereiten werden.


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