Konzentriertes Reden über zwei politische Systeme

  11.09.2024 Politik, Musik/Kultur

Am Samstagabend lud die Baarer Sektion der Grünliberalen zu einer Diskussionsrunde für und wider eines Baarer Parlaments. Dazu äusserten sich zwei engagierte Redner.

MARCO MOROSOLI

Die GLP Baar trifft sich jeweils am siebten Tag eines jeden Monats zu einem Höck. Auf welchen Tag dieser bestimmte Tag fällt, das ist nicht von Belang. Entschieden wird nur, ob ohne oder mit Publikum. Der siebte Tag im Sep-
tember fiel auf einen Samstag. Dazu
noch auf einen schön warmen.

So dürften einige lieber ein Bier oder zwei im Freien genossen haben, als ins Altersheim Martinspark zu gehen. Dabei war das Thema des Abends «Braucht Baar ein Parlament oder nicht» spannend gesetzt. Mit dem Parlaments-Befürworter Samuel Imfeld von der Interessengemeinschaft Baarlament und dem Gemeinderatskandidaten Reto Leutenegger (FDP) passend besetzt.

Wenn der Kanton Zug für die ganze Schweiz entscheiden würde
Imfeld erläuterte die Haltung der IG: «Wenn einer oder zwei Prozent der Baarer Stimmberechtigten an eine Gemeindeversammlung kommen, ist das ungefähr so, wie wenn der Kanton Zug in einer Abstimmung für die ganze Schweiz entscheiden würde.» Imfeld liess die Zuhörenden dann auch noch wissen, dass Gemeinden wie Tafers (FR) oder Buchs (AG) wesentlich kleiner als Baar seien, und ein Parlament ha- ben oder bald eines haben werden. Der Sprecher der IG erwähnte weiter, dass er schon festgestellt habe, dass immer die Gleichen an den Gemeindeversammlungen sind.

Dem Parlamentsbefürworter ist nicht entgangen, dass es auch einmal 497 Stimmberechtigte sein können. Dieser grosse Zuspruch lässt sich relativ leicht erklären: Es ging um das Projekt Sternmatt. Im Zuge von dessen Umsetzung war der Rückbau einer Turnhalle vorgesehen. Das wollten Sportvereine aus dem Dorf nicht und mobilisierten ihre Mitglieder. Der Effekt: Das Geschäft wurde an der Gemeindeversammlung im März 2024 an den Gemeinderat zurückgewiesen. Das sportliche Powerplay im Gemeindesaal erzielte also den gewünschten Erfolg. Diese Politik der Füsse ist keineswegs ein Baarer Phänomen.

Baarer Gemeinderat stärkt die Kommissionen
Alles beim Alten lassen, das will Leutenegger. Und er weiss bei dieser Angelegenheit seine Partei, die FDP, hinter sich: «Ein Parlament würde uns nicht helfen.» Mehr noch, so äusserte er sich, wäre ein Parlament sogar ein Rückschritt: Aussenstehende, also Nichtparlamentarier, könnten sich nicht mehr wie bis anhin einbringen. Der Parlamentsgegner befürchtet auch, dass ein Parlament dazu führen würde, den Verwaltungsaufwand zu steigern. Wichtiger erscheint ihm, dass vorhandenen Mittel zu nutzen sind. Der Gemeinderatskandidat erwähnt in diesem Zusammenhang, dass sich die Bevölkerung auch über die verschiedenen Kommissionen einbringen könne.

Die wichtigste, so der Exponent Pro-Gemeindeversammlung, ist die Rechnungs- und Geschäftsprüfungs-Kom- mission (RGPK). Unter anderem hat mit der am 27. November 2022 vom Volk genehmigten Revision der Gemeindeordnung die RGPK ein stärkeres Gewicht bekommen. Das gilt auch für andere Mitsprachemöglichkeiten auf der Stufe Kommission. Der Gemeinderat bezeichnete dieses System als das «Baarer Modell».

Alles in allem betonte dann Leutenegger, dass bei einem Parlament die Distanz zwischen dem Gemeinderat und der Bevölkerung grösser würde. Für ihn sei Baar eine eine Stadt, die dörflich denkt. Das führte den FDP-Mann zu folgender Erkenntnis: «Never change a running system.» Frei übersetzt bedeutet dieser englische Ausspruch: «Wechsle nie ein laufendes System.»

Aus dem Kreis der Anwesenden kamen hinterher keine konkreten Fragen mehr. Einer erwähnte, dass es gerade für kleine Parteien schwierig sei, in Kommissionen zu kommen.

Wie einem Artikel auf der Plattform Schweizer Gemeinde entnommen werden kann, hat Anfang Juni 2024 die Gemeinde Sursee (LU) die Einführung eines Parlaments abgelehnt. Sursee hat rund 10’000 Einwohner. In Baar wohnten am 31. Dezember 2023 insgesamt 24’973 Menschen. Damit ist Baar hinter Rapperswil-Jona (SG) bevölkerungsmässig die zweitgrösste Gemeinde in der Schweiz, die ohne Parlament auskommt. In Rapperswil haben die Stimmbürger das Vorhaben im Vorjahr zum zweiten Mal nach 2015 abgelehnt. Jedoch knapper als noch 2015. Der Systemwechsel wurde mit 51,7 Prozent abgelehnt. In Baar gab es diesbezüglich noch nie einen Volksentscheid an der Urne, aber die Diskussion geht weiter.

Nur in der Stadt Zug gibt es ein Gemeindeparlament
Im Kanton Zug gibt es ein Gemeindeparlament (Stadt Zug). Gar keines haben die Kantone Uri, Schwyz, Nidwalden, Obwalden und Appenzell-Innerrhoden. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Romandie Parlamenten gegenüber offener ist. In Genf und Neuenburg gibt es in allen Gemeinden ein Parlament. Im Kanton Waadt sind in mehr als der Hälfte der Gemeinden Parlamente installiert. Auch das Tessin mag Parlamente. In 100 von aktuell 115 Gemeinden gibt es Volksvertretungen. Das sind 87 Prozent.

Neben den Gemeinden mit einer Gemeindeversammlung gibt es solche, die auf ein Parlament setzen. Und es gibt sogar noch eine dritte Möglichkeit der Teilnahme des Volkes: Alles wird an der Urne entschieden. Dieses Modell ist im Luzernischen populär, wie die folgende Liste zeigt: Adligenswil, Buchrain, Malters, Ruswil, Wolhusen und Beromünster.

Am Schluss der Veranstaltung sagte Leutenegger noch, dass es auch in Baar wichtig sei, immer handlungsfähig zu sein. Baar, so Leutenegger, werde weiter wachsen. Und auch Imfeld von der IG Baarlament will das Projekt Parlament in Baar in Zukunft breiter abstützen. Das braucht alles Kraft. Deshalb gab es für alle Spaghetti auf den Heimweg.


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