Wohnblock wird zur Asyl- und Flüchtlingsunterkunft

  13.08.2025 Politik

An der Zugerstrasse 51 will der Kanton Zug eine Liegenschaft für rund 80 Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich nutzen. Während die Direktion des Innern die Nutzung als dringend benötigte Übergangslösung sieht, sorgt der Entscheid lokal für Diskussionen.

RAHEL HEGGLIN

Es ist ein älterer, achtstöckiger Block an der Grenze zu Zug, der ab Ende August als Unterkunft für die Menschen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich genutzt wird. Wie es in der Mitteilung der Direktion des Innern heisst, leben die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner seit mehreren Monaten oder Jahren im Kanton Zug. Die meisten von ihnen befinden sich in Ausbildung oder sind erwerbstätig, heisst es weiter.

Quartierbewohner haben Angst
In einer kleinen Anfrage an den Kanton forderte die SVP Baar am 8. Juli volle Transparenz über die Zusammensetzung der Bewohnerschaft. Zudem soll ein umfassendes Sicherheitskonzept dafür sorgen, dass die Lebensqualität und Privatsphäre der Bevölkerung – insbesondere der direkten Anwohnerinnen und Anwohnern – nicht beeinträchtigt werden. «Die Liegenschaft befindet sich mitten in einem Wohnquartier und wird nun, ohne vorgängige Konsultation der Anwohnerschaft und Bevölkerung, zur Asyl- und Flüchtlingsunterkunft genutzt. Wir setzen uns ein, dass die Interessen der Baarer Bevölkerung in dieser Angelegenheit oberste Priorität hat», heisst es im Vorstoss der SVP Baar. Diese Interessen seien klar, teilt Partei-Präsident Adrian Rogger mit: «Die Anwohner der Zugerstrasse 51 sind heute schon geplagt durch Störungen im Zusammenhang mit Notwohnungen in der Nachbarschaft. Regelmässige Polizeieinsätze bringen ein unsicheres Gefühl mit sich. Nun wird ihnen noch eine Asylunterkunft vor die Nase gesetzt. Die SVP Baar will, dass die Sicherheit, die Lebensqualität und die Privatsphäre der Bevölkerung geschützt wird.»

Dass die Anwohnerschaft mit Ängsten im Hinblick auf die zukünftige Asyl- und Flüchtlingsunterkunft kämpft, bestätigt eine Anwohnerin, die anonym bleiben will: «Alle, die hier im Quartier wohnen, sind dagegen. Aber es getraut sich niemand, öffentlich etwas zu sagen. Wir sind unsicher und haben Angst, was auf uns zukommt. Wir leben in einem kleinen Quartier, da sind 80 Personen aus dem Flüchtlings- und Asylbereich viel, die dazukommen.» Was die Kommunikation über die neue Nutzung der Immobilie betrifft, präzisiert die Direktion des Innern: «Wir haben unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen die Bevölkerung informiert – also zum frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem spruchreife Informationen vorlagen.»

Dringend benötigter Wohnraum
Für die Direktion des Innern scheint der Block eine ideale Unterbringungsmöglichkeit zu sein. Andreas Hostettler, Landammann und Vorsteher der Direktion des Innern, erklärt: «Angesichts der angespannten migrationspolitischen Lage und des akuten Platzbedarfs ist es entscheidend, rasch umsetzbare Lösungen zu finden. Die Zwischennutzung in Baar verschafft uns dringend benötigten Wohnraum.»

Die Gemeinde wurde laut Gemeindepräsident Walter Lipp seit Frühsommer 2024 über die Gespräche mit der Eigentümerschaft auf dem Laufenden gehalten und Ende Juni 2025 informiert, dass der Kanton das Gebäude als Asyl- und Flüchtlingsunterkunft mieten kann. Dabei wurden auch die Rahmenbedingungen sowie die konkrete Umsetzung besprochen: «Der Gemeinde ist es wichtig, dass die Bewohnenden betreut werden und dass der Kanton vor Ort eine Informationsstelle für die Asylsuchenden betreibt. Ebenso ist es uns ein Anliegen, dass an der Zugerstrasse 51 prioritär Familien und Personen untergebracht werden, die seit längerer Zeit im Kanton leben und erste Integrationsschritte durchlaufen haben», so Gemeindepräsident Lipp. Weiter erklärt er, dass seit der Veröffentlichung der Medienmitteilung Anfang Juli niemand aus der umliegenden Nachbarschaft auf die Gemeinde zugegangen ist und Ängste geäussert hat.

Es braucht weitere Unterkünfte
Die Liegenschaft wurde vor rund zwei Jahren leergekündigt. Das findet die SP Baar höchst skandalös, sieht aber keinen Handlungsspielraum: «Aus Wohnungen für Menschen sollten hochrentable Serviceappartements erstellt werden. Aus diversen Gründen liess sich dieses Spekulationsprojekt nicht umsetzen. Deshalb will die aktuelle Eigentümerschaft nun Unterkünfte für Asylsuchende anbieten. Da den Eigentümern nicht vorgeschrieben werden kann, dass sie wieder preiswerte Wohnungen anbieten müssen, müssen wir auch akzeptieren, dass dort Asylunterkünfte kommen», heisst es auf Anfrage.

Ob auf dem Gemeindegebiet Baar in den nächsten fünf Jahren weitere Asylunterkünfte geplant sind, will die SVP Baar rund um Rogger und seine Parteikollegen Michael Riboni und Hans Küng ebenfalls vom Regierungsrat wissen. Denn für sie ist klar, dass es in Baar keinen weiteren Platz dafür gibt: «In Baar fehlt es grundsätzlich an Wohnraum. Wenn Wohnraum verfügbar wird, dann zuerst für die heimische Bevölkerung. Für die Bürgerinnen und Bürger, welche im Kanton verwurzelt sind und sich hier in Vereinen oder als Mitglied der Feuerwehr für die Gemeinschaft einsetzen.» Dass es schwierig ist, neue Unterkünfte zu schaffen, sieht auch die SP Baar, wie sie auf Anfrage mitteilt: «Es gab Platz und Pläne bei der Obermühle. Aufgrund von diversen Einsprachen liessen sich diese nicht realisieren. Wir nehmen an, dass auch weitere Projekte mit Einsprachen eingedeckt werden und die Bevölkerung aufgehetzt wird.» Für den Kanton ist aber klar, dass es auch zukünftig neue Unterkünfte braucht, wie die Direktion des Innern angibt: «Der Kanton Zug steht vor der Aufgabe, mittel- bis langfristig rund 1’000 zusätzliche oberirdische Unterbringungsplätze für Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich zu schaffen. Dies bedingt durch auslaufende Mietverträge und anhaltende Zuweisungen des Bundes. Entsprechende Planungen sind im Gange; die Anliegen der Einwohnergemeinden werden dabei aktiv einbezogen.» In Absprache mit den Gemeinden würden aber derzeit zu allfälligen einzelnen Standorten noch keine Auskünfte erteilt.

Betreuungsperson vor Ort
Ende August ziehen die neuen Bewohnenden an der Zugerstrasse 51 ein. In den ersten Monaten wird jeweils zu Bürozeiten eine Ansprechperson des Kantons präsent sein. Diese Betreuungsperson steht sowohl den Bewohnerinnen und Bewohnern als auch der Nachbarschaft für Fragen, Anliegen oder Hinweise zur Verfügung. Die Antwort des Regierungsrates zu sämtlichen Fragen der SVP Baar wird in den kommenden Tagen erwartet.


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